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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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„Ich“ und „mein“ unterhält, so lange kommt der Kummer nicht an ein Ende –<br />

wie die Sonne in einem Gemälde niemals untergeht. Es gibt eine Sage, die<br />

diese Wahrheit veranschaulicht. Ich werde sie dir nun erzählen.<br />

Da gab es einst einen riesigen Berg, höher als die drei Welten übereinander<br />

getürmt. Auf seinen Gipfeln wohnten die Götter, in seiner Mitte lebten die<br />

menschlichen Wesen, und an seinem Fuß hausten die Wesen der Unterwelt.<br />

Der Berg wurde Sahya genannt. Er enthielt sozusagen alle Dinge des Universums.<br />

Auf ihm befand sich die Einsiedelei des Weisen Atri. Darin lebten zwei<br />

Weise namens B­haspati und Śukra, die jeder einen Sohn hatten; einer hieß<br />

Vilāsa und der andere Bhāsa. Beide Knaben wuchsen zu jungen Männern<br />

heran. Sie hingen sehr aneinander und waren unzertrennlich.<br />

Im Verlaufe der Zeit verließen die beiden Weisen B­haspati und Śukra diese<br />

Welt. Tief trauernd führten die beiden jungen Männer die Begräbnisriten aus.<br />

Aufgrund des Verlustes ihrer Väter verloren sie jegliches Interesse an Reichtum,<br />

Besitz usw. Beide gingen daher in den Wald, um ein nomadisches Leben<br />

zu führen; jeder in eine andere Richtung. Nach einer beträchtlichen Zeit trafen<br />

sie einander wieder.<br />

VILùSA sagte zu seinem Freund Bhāsa:<br />

Was für eine Freude, dich zu treffen, oh mein teuerster Freund! Sage mir,<br />

wie es dir ergangen ist, seit wir uns getrennt haben. Haben deine<br />

Askesepraktiken Früchte getragen? Ist dein Gemüt das brennende Verlangen<br />

der Weltlichkeit losgeworden? Hast du Selbsterkenntnis erlangt? Sage mir:<br />

Bist du wohlauf und glücklich?<br />

BHùSA erwiderte:<br />

Ich preise mich glücklich, dich wiederzusehen, mein lieber Freund und<br />

Bruder! Wie aber können wir, wandernd in dieser Welterscheinung, jemals<br />

wohlauf und glücklich sein, solange wir nicht die höchste Weisheit erlangt<br />

haben und die psychologische Verwirrung aufgehört hat? Wie können wir<br />

wahrhaftig zufrieden sein, solange wir nicht diesen Ozean des Weltzyklus<br />

überquert haben? Solange nicht die aus dem Gemüt geborenen Wünsche und<br />

Hoffnungen vollständig zerstört worden sind – wie können wir wohlauf und<br />

glücklich sein?<br />

Bis zum Erlangen der Selbsterkenntnis müssen wir wieder und wieder in<br />

diese Welt von Geburt und Tod zurückkehren, um Kindheit, Jugend, Erwachsensein,<br />

Alter und Tod wieder und wieder zu erfahren und wieder und wieder<br />

dieselben sinnlosen Betätigungen und Erfahrungen durchmachen. Verlangen<br />

zerstört die Weisheit. Verloren in der Befriedigung sinnlicher Begierden<br />

schwindet das Leben schnell dahin. Das Gemüt fällt in den toten Brunnen<br />

der Sinnesvergnügen. Es ist wahrhaftig ein Rätsel, wie und weshalb dieser<br />

Körper, der doch ein hervorragendes Fahrzeug ist, um uns ans andere Ufer<br />

der Selbsterkenntnis zu tragen, stattdessen in den Schlamm der Weltlichkeit<br />

stürzt! Im Zeitraum eines Augenblinzelns nimmt diese winzige Welle namens<br />

Gemüt schreckenerregende Ausmaße an. Närrischerweise schreibt der<br />

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