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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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Oh König, oh Rāma! Mit meinem Auge der Weisheit habe ich nach dem Bettelmönch<br />

gesucht. Ich versank in tiefe Meditation mit dem Wunsch, diesen<br />

Bettelmönch zu erblicken. Ich suchte nach ihm in diesem Universum, konnte<br />

ihn jedoch nicht finden. Wie kann die eigene Einbildungskraft außerhalb als<br />

etwas völlig Reales erscheinen?<br />

Dann ging ich weiter Richtung Norden bis zum Land der Jīnas. Auf einem<br />

Ameisenhügel ist ein vihara (Schrein? Oder bihar), der von Menschen bewohnt<br />

war. Dort, in seiner eigenen Hütte, lebte ein Bettelmönch (bhik«u), der<br />

als DÅrghadśa bekannt war und einen gelben Kopf hatte. Er befand sich in<br />

tiefer Meditation. Sogar die ihm dienten, betraten seine Hütte nicht, um ihn<br />

nicht in seiner Meditation zu stören. Es war der einundzwanzigste Tag seiner<br />

Meditation, und es sollte gleichzeitig der letzte sein.<br />

Obgleich er von einem bestimmten Gesichtspunkt aus nur einundzwanzig<br />

Tage meditiert hatte, waren von einem anderen Gesichtspunkt aus Tausende<br />

von Jahren vergangen. Denn das war die Idee, die in seinem Gemüt aufgetaucht<br />

war. Ich wusste, dass ein solcher Bettelmönch bereits in einer anderen<br />

Epoche gelebt hatte, und sogar in jener Epoche war er bereits der zweite<br />

Bettelmönch dieser Art. Außer diesen beiden vermochte ich jedoch keinen<br />

weiteren, dritten zusehen. Als nächstes betrat ich mit allen mir zur Verfügung<br />

stehenden geistigen Fähigkeiten und allem, was unter meiner Kontrollewar,<br />

das eigentliche Herz dieser Schöpfung und suchte nach dem dritten Bettelmönch.<br />

Schließlich fand ich ihn doch noch, jedoch nicht in diesem Universum. Er<br />

befand sich in einem anderen Universum, das jedoch fast genauso wie dieses<br />

hier war, wenn auch von einem anderen Brahmā erschaffen. Auf dieselbe Art<br />

und Weise hat es schon immer zahllose Wesen gegeben, und so wird es sie<br />

auch in Zukunft sein. In dieser Versammlung hier gibt es Weise und heilige<br />

Brāhmanen, die ihrerseits Vorstellungen von anderen Wesen unterhalten, die<br />

daraufhin als solche in Erscheinung treten werden. Darin besteht die Natur<br />

der Māyā.<br />

Einige dieser Wesen werden eine ähnliche Natur haben wie derjenige, der<br />

sie sich vorstellt. Andere wiederum werden völlig anders sein. Und wieder<br />

andere werden ihm teilweise ähnlich sein. Darin besteht die große Māyā, die<br />

sogar die Weisen verblüfft. Jedoch existiert sie weder wirklich noch wirkt sie<br />

hier – es ist immer nur die Täuschung, die all dieses erscheinen und verschwinden<br />

lässt! Außerdem – wo ist eine kurze Zeitperiode von einundzwanzig<br />

Tagen und eine ganze Epoche? Es ist geradezu erschreckend, sich alle<br />

diese Spiele des Gemüts zu vergegenwärtigen.<br />

All dieses ist nichts als Erscheinung, die sich wie der Lotos am Morgen entfaltet<br />

und dann wie der voll erblühte Lotos die Vielfalt enthüllt. All dieses<br />

taucht im unendlichen Bewusstsein auf, das rein ist, und doch wirkt die Erscheinung<br />

wie von der Unreinheit befleckt. Jedes Ding sieht wie bruchstückhaft<br />

aus und wird am Ende seiner bruchstückhaften Existenz weiterer seltsamer<br />

Fragmentierung unterworfen. All dieses ist relativ real, nicht gänzlich<br />

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