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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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Lebewesen. Ich setzte mich in die Lotosposition. Mein Gemüt machte ich ganz<br />

still. Ich entschloss mich, in dieser Position für hundert Jahre in samÃdhi zu<br />

sitzen. Entsprechend dem Gesetz, dass man erblickt, woran man sehr lange<br />

denkt, materialisierten sich meine Fantasiewünsche und breiteten sich vor<br />

meinen Augen aus. Die hundert Jahre vergingen wie im Nu, denn wenn das<br />

eigene Gemüt vollkommen konzentriert ist, nimmt man die Zeit nicht mehr<br />

wahr.<br />

Als diese Periode endete, begann mein Gemüt sich zu erweitern und auszubreiten.<br />

Sämtliche Kobolde von „ich“ und „du“ krochen auf mich zu, zusammen<br />

mit der Lebenskraft, die sich in mir zu regen begann. Im selben Augenblick<br />

entstandenWünsche in meinem Herz und ich konnte nicht sagen, woher<br />

und wie sie kamen!<br />

RĀMA fragte:<br />

Oh Weiser, wie kam es, dass der Ich-Sinn sogar im Falle der Person, die im<br />

nirvāņa verankert ist, auftauchen konnte?<br />

VASIåèHA antwortete:<br />

Der Körper kann ohne den Ich-Sinn nicht existieren, und dies gilt unabhängig<br />

davon, ob einer ein Wissender ist oder nicht. Was am Leben erhalten<br />

werden muss, bedarf einer Grundlage und kann ohne sie nicht existieren. Es<br />

gibt da jedoch einen entscheidenden Unterschied, den ich dir nun erläutern<br />

werde.<br />

Der kleine Knabe genannt „Unwissenheit“ hat diesen Kobold genannt „Ich-<br />

Sinn“, der in uns zu existieren scheint und nicht erkannt wird, erschaffen.<br />

Diese Unwissenheit ist eine Nicht-Wesenheit, da sie bei Ergründung als nichtexistierend<br />

erkannt wird; Dunkelheit existiert nicht, wenn man sie mit einer<br />

Lampe sucht. Sobald man nach diesem Kobold namens Unwissenheit Ausschau<br />

hält, ist er unauffindbar. In der Abwesenheit der Ergründung jedoch<br />

und so lange man an ihn glaubt und sich von ihm beeinflussen lässt, breitet er<br />

sich aus und setzt sich fest. Diese Welt wird von dieser Unwissenheit erschaffen,<br />

die nur für den Unwissenden real ist; sie ist aber nicht real. Dieses (unendliches<br />

Bewusstsein oder Brahman) ist jenseits des Gemüts und der Sinne<br />

und kann daher nicht die Samenursache für die Existenz von etwas sein, was<br />

das Objekt des Gemüts und der Sinne ist. Wie kann es einen Keimling geben,<br />

wenn kein Same existiert?<br />

In diesem unendlichen Bewusstsein ist das, was als das erschaffene Universum<br />

erscheint, eine bloße Fantasie. Dieses Bewusstsein allein nennt man<br />

ýśvara oder Gott und auch diese Schöpfung. Es ist wie eine eigene Traumschöpfung,<br />

was für jedermann eine Alltagserfahrung ist. Weil der Träumer ein<br />

bewusstes Wesen ist, scheinen die Traumobjekte eine eigene Intelligenz und<br />

ein eigenes Gemüt zu besitzen. Auf dieselbe Weise scheint diese Nicht-<br />

Schöpfung namens Universum unabhängiges Sein und eigene Intelligenz zu<br />

besitzen – als ob es erschaffen worden wäre. Aber da existiert keine Schöpfung<br />

als solche – das eine Brahman existiert als Brahman. Welche Idee auch<br />

VI.2:57<br />

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