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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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Um ihn ins normale Körperbewusstsein zurückzuholen, nahm ich die Gestalt<br />

einer dicken Wolke an, aus der es regnete und donnerte. Daraufhin erlangte<br />

er sein Körperbewusstsein zurück. Ich fragte ihn: „Wo bist du, oh Weiser?<br />

Was tust du? Wer bist du? Obwohl du aus so großer Höhe gefallen bist,<br />

nimmst du es gar nicht wahr – wie kommt dies?“<br />

Nachdem der Weise die Vergangenheit kurz überdacht hatte, sprach er:<br />

„Nun habe ich dich erkannt, oh du Heiliger. Ich grüße dich. Vergib mir bitte,<br />

dass ich dich nicht schon früher begrüßt habe. Die Natur der Weisen ist<br />

großmütig und nachsichtig. Oh Weiser – ich bin eine lange, lange Zeit in den<br />

Reichen der Götter umhergewandert. Ich bin dieses saæsāra müde. Wenn<br />

doch all dies hier reines Bewusstsein ist, was nennen wir dann Sinnesvergnügen?<br />

Und so wohne ich im Raum, frei von mentaler Ablenkung und Anziehung.<br />

Keine einzige dieser Sinneserfahrungen ist real und unabhängig vom<br />

Bewusstsein. Die Objekte des Vergnügens sind Quellen des Giftes, die sexuellen<br />

Lüste sind Täuschung, die Süße beraubt den Genießer des Süßen – wer<br />

von all dem überwältigt wird, geht gewiss zu Grunde! Das Leben ist kurz. Es<br />

ist angefüllt mit Zerstreuungen. Nur durch Zufall erlebt man hier ab und zu<br />

etwas Glück. Nichts ist hier dauerhaft oder verlässlich. Wie der Topf auf dem<br />

Rad des Töpfers wird dieser Körper in diesem Leben ohne Ende gedreht und<br />

gedreht. Überall lauern machtvolle Diebe (die Sinnesobjekte). Daher muss ich<br />

wachsam bleiben.“<br />

DER WEISE fuhr fort:<br />

„‘Dies ist heute passiert‘, ‚das ist mein‘ und ‚dies gehört ihm‘ – indem die<br />

Menschen sich fortwährend mit solchen Gedanken befassen, vergessen sie<br />

das Vergehen der Zeit. Viel haben wir gegessen und getrunken, viel sind wir<br />

auf dieser Erde gewandert, viele Schmerzen und Vergnügen haben wir erfahren.<br />

Was bleibt davon übrig? Wie erlangen wir den höchsten Frieden? Sämtliche<br />

Bäume sind nur Holz, sämtliche Lebewesen nur Fleisch, die ganze Erde<br />

nichts als Lehm – alles ist daher von Schmerz und Vergänglichkeit befleckt.<br />

Wo kann ich meine Zuflucht finden?<br />

Wer ist hier mein Beschützer? Es sind dies weder Wohlstand noch Freunde<br />

noch Verwandte noch Bekannte (oder Vergnügen), denn all diese sind selbst<br />

Opfer der Zeit. Wem kann ich vertrauen, wenn ich doch sehe, wie alle schon<br />

morgen oder übermorgen sterben?<br />

Sogar die durch Vorschriften und Gebote geleiteten religiösen Riten lassen<br />

einen Menschen in dieses saæsāra stürzen, wie Wasser von einem höher<br />

gelegenen zu einem niedriger gelegenen Punkt fließt. Sie verwirren und<br />

bringen einen durcheinander. Das Unwirkliche scheint durch beständiges<br />

Daran-denken real zu werden. Da das Unwirkliche jedoch irreal ist, bleibt es<br />

auch irreal, auch wenn es real erscheint. Die Menschen sind getäuscht und<br />

rennen hinter den Objekten des Sinnesvergnügens her wie ein Fluss schnell<br />

seiner Selbstzerstörung im Meer entgegenfließt. Das unwissende Gemüt eilt<br />

den Sinnesvergnügen nach wie der Pfeil, der von der Sehne schnellt und<br />

keinen Sinn für Gut und Böse hat.<br />

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