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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

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VI.2:4,6<br />

zusammen. So wie der Spiegel durch Beschlagen erblindet, wird das Selbst<br />

vom unwirklichen Ich-Sinn verhüllt. Dieser Ich-Sinn lässt den ganzen Rest<br />

dieser Welterscheinung entstehen. Verschwindet er, dann leuchtet das Selbst<br />

durch sein eigenes Licht; so wie die Sonne scheint, wenn die finsteren Wolken<br />

fortgeblasen sind. So wie ein in den Ozean geworfener Gegenstand in diesem<br />

untergeht, so geht der Ich-Sinn, der einmal das Selbst betreten hat, in diesem<br />

unter.<br />

So lange der Ich-Sinn andauert, leuchtet dieses eine Brahman oder unendliche<br />

Bewusstsein als die verschiedenen Objekte mit verschiedenen Namen. Ist<br />

der Ich-Sinn stillgelegt, leuchtet Brahman ungehindert als das reine, unendliche<br />

Bewusstsein. Der Ich-Sinn ist der Same dieses Universums. Wenn er<br />

geröstet ist, liegt in Worten wie „Welt“, „Bindung“ oder „Ich-Sinn“ kein Sinn<br />

mehr. Ist der Topf zerbrochen, bleibt nur noch Ton zurück; wird der Ich-Sinn<br />

aufgegeben, löst sich die Vielfalt auf. So wie die Objekte der Welt beim Aufstieg<br />

der Sonne sichtbar werden, wird die Vielfalt der Welt beim Aufstieg des<br />

Ich-Sinns sichtbar. Oh Rāma, ich sehe keine Alternative zur Selbsterkenntnis,<br />

die in der Realisierung der Unwirklichkeit des Ich-Sinns besteht. Nichts anderes<br />

kann dein wahres Wohlergehen sicherstellen. Gib daher als erstes den<br />

individualistischen Ich-Sinn auf und gewahre dein Selbst als das gesamte<br />

Universum. Erkenne als nächstes, dass das gesamte Universum das Selbst<br />

oder Brahman ist und nichts anderes. Sei frei von aller durch weltliche Ideen<br />

verursachten Erregtheit.<br />

Wer diesen Ich-Sinn nicht zu erobern vermag, erlangt den höchsten Zustand<br />

nicht. Sollte sein Herz jedoch rein sein, dann kann Unterweisung betreffend<br />

die spirituelle Erkenntnis es so durchdringen, wie ein Tropfen Öl ein gewaschenes<br />

Kleidungsstück durchdringt. In diesem Zusammenhang möchte ich<br />

dir nun eine alte Legende erzählen. Vor langer, langer Zeit fragte ich einmal<br />

BhuÓuï¬a: „Wen erachtest du in dieser Welt als unwissend und verblendet?“<br />

BHUŚU×ÖA erwiderte:<br />

Es gab einmal ein himmlisches Wesen, welches auf der Kuppe eines Berges<br />

lebte. Es war unwissend und den Sinnesvergnügen hingegeben, aber es hatte<br />

sich eine so rechtschaffene Lebensführung angewöhnt, welche ihm ein sehr<br />

langes Leben versprach. Nach einer sehr langen Zeit entstand in diesem Wesen<br />

der Gedanke, dass es den Zustand jenseits von Geburt und Tod erlangen<br />

sollte. Nachdem der Himmelsbewohner sich dazu entschlossen hatte, kam er<br />

zu mir. Er brachte mir seine Verehrung dar und fragte mich: „Diese Sinne, oh<br />

hoher Herr, sind ständig erregt vom Verlangen nach Erfüllung und sind die<br />

Quelle endloser Schmerzen und Leiden. Dies habe ich erkannt und nehme<br />

daher Zuflucht zu deinen Füßen.“<br />

DER HIMMELSBEWOHNER fuhr fort:<br />

Bitte erzähle mir von dem, was grenzenlos, frei von Wachstum und Verfall<br />

und rein, anfangslos und endlos ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich wie<br />

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