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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

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VI.2:22<br />

sieht er deren wahre Natur nicht – so wie ein blind geborener Mensch seinen<br />

Weg nicht sehen kann. Emanzipation oder mokåa bedeutet die Zerstörung<br />

dieser Unwissenheit und die Realisierung der Unabhängigkeit des jīva von<br />

diesen Elementen und vom Ich-Sinn.<br />

Oh Rāma, man sollte danach streben, ein jñanÅ (Mensch der Weisheit oder<br />

direkter Erkenntnis) zu werden, nicht aber ein jñanabandhu, ein PseudojñanÅ.<br />

Wer ist der Pseudo-jñanÅ? Derjenige, der die Schriften aus Vergnügen<br />

oder Gewinndenken heraus studiert wie ein Bildhauer die Künste studiert<br />

und nicht nach dem Geist der Lehren lebt. In seinem Alltagsleben spiegelt<br />

sich sein Wissen der Schriften in keiner Weise wieder. Viel eher ist er daran<br />

interessiert, das Wissen der Schriften zu seiner physischen Wohlfahrt und<br />

sinnlichen Befriedigung zu nützen. Aus diesem Grunde erachte ich einen<br />

unwissenden Menschen besser als den Pseudo-jñanÅ.<br />

Jñāna oder Weisheit ist Selbsterkenntnis; andere Arten der Erkenntnis sind<br />

nur blasser Abglanz. In dieser Welt sollte man nur so viel arbeiten als nötig<br />

ist, um ein ehrliches Leben zu führen. Man sollte nur leben (essen), um die<br />

Lebenskraft am Leben zu erhalten. Und die Lebenskraft sollte man nur erhalten,<br />

um Erkenntnis zu erlangen. Man sollte das erforschen und kennen, was<br />

einen von der Sorge befreit.<br />

VASIåèHA fuhr fort:<br />

Der ist ein jñanÅ, der die Folgen der Handlungen nicht wahrnimmt (oder<br />

sich nicht um sie kümmert), weil er in der Selbsterkenntnis verankert ist und<br />

sowohl das individualisierte Gemüt als auch dessen Objekte nicht beachtet.<br />

Derjenige ist ein jñanÅ, dessen psychologische Konditionierung gänzlich aufgehört<br />

hat. Seine innere Intelligenz ist frei von Verdrehtheiten aller Art. Seine<br />

Erkenntnis führt nie wieder zur Wiedergeburt. Er tut einfache Dinge wie<br />

Essen und Ankleiden und handelt spontan und angemessen, frei von Wunsch<br />

und mentaler Aktivität. Man nennt ihn einen paï¬ita.<br />

Die verschiedenen Kreaturen sind ohne Absicht ins Dasein getreten und<br />

existieren ohne Absicht weiter. Obwohl es so scheint, sind es keine reale<br />

Wesenheiten. Ihre kausale Verursachung wurde erst später ins Spiel gebracht,<br />

um diese unwirkliche Schöpfung erklären zu können. Gibt es etwa<br />

einen Grund für das Auftauchen einer Luftspiegelung? Diejenigen, die nach<br />

Ursachen für das Erscheinen solcher optischen Täuschungen suchen, versuchen<br />

auf den Schultern des Enkels des Sohnes einer unfruchtbaren Frau zu<br />

reiten! Die einzige Ursache für das Auftauchen derartiger optischer Täuschungen<br />

oder illusorischer Erscheinungen ist das Nicht-Gewahrsein, denn<br />

bei näherem Hinsehen verschwinden sie. Werden sie auf rechte Weise untersucht<br />

und wahrgenommen, erweisen sie sich als das höchste Selbst. Werden<br />

sie dagegen mit dem Verstand wahrgenommen, taucht der konditionierte jīva<br />

auf. Dieser jīva, wenn er auf richtige Weise betrachtet und verstanden wird,<br />

ist das höchste Selbst. Wird er mit Hilfe des Verstandes erfasst, erscheint er<br />

als jīva, der allen Arten von Wandel, Geburt, Verfall usw. unterworfen ist.<br />

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