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Mathematik für Physiker - Numerische Physik: Modellierung

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5.1. MOTIVATION 165<br />

Abbildung 5.1: Geschwindigkeits–<br />

Zeit-Diagramm: der vom Körper<br />

in einem Zeitintervall zurück gelegte<br />

Weg wird durch die Fläche<br />

unter der Funktion v(t) bestimmt,<br />

ergibt sich also durch Integration:<br />

s = ∫ v dt<br />

§ 642 Dieses Problem spiegelt sich noch heute in den beiden Möglichkeiten wieder, die Integration<br />

einzuführen. Eine Motivation ist die bereits erwähnte Flächenbestimmung, d.h. die<br />

Ermittlung des bestimmten Integrals. Die Motivation von Newton und Leibniz dagegen war<br />

eine andere: diese wollten aus der bekannten Änderung einer Funktion, eben der Ableitung,<br />

die Funktion selbst bestimmen. Bei diesem unbestimmten Integral wird zu einer gegebenen<br />

Funktion eine Stammfunktion gesucht, deren Ableitung eben diese gegebene Funktion ist.<br />

§ 643 Diese zweite Interpretation hat vielfältige physikalische Anwendungen. So wird oftmals<br />

nicht die interessierende Größe beobachtet sondern nur deren Änderung: beim Zerfall einer<br />

radioaktiven Substanz werden die entstehenden α-Teilchen nachgewiesen. Jeder zerfallende<br />

Kern emittiert ein α-Teilchen, d.h. die Zählrate der α-Teilchen ist ein Maß dafür, wie sich<br />

die Zahl der Kerne innerhalb der Substanz verändert. Nehmen wir die Zählrate der αs als<br />

Funktion der Zeit auf, so erhalten wir die Information, wie sich in jedem Zeitintervall die<br />

Zahl N der vorhandenen Kerne verändert hat. Wir beobachten also nicht die uns eigentlich<br />

interessierende Funktion N(t) sondern deren Ableitung Ṅ(t) = dN/dt. Außerdem wissen<br />

wir, dass die Zahl Ṅ(t) der zerfallenden Atome proportional zur Zahl N(t) der vorhandenen<br />

Atome ist: Ṅ(t) = −λN(t). Die Zahl N(t) der vorhandenen Kerne bestimmen wir aus dieser<br />

Differentialgleichung durch Integration. Wir werden diesen Punkt in Kap. 7 weiter vertiefen.<br />

§ 644 Aber auch bei unserem einfachen mechanischen Beispiel, der Bewegung v(t) = ds/dt,<br />

begegnen wir der Integration. Bewegt sich der Körper mit gleichförmiger Geschwindigkeit<br />

v = s/t, so ergibt sich die innerhalb eines Zeitintervalls N(t) zurück gelegte Strecke zu<br />

s = v(t 2 −t 1 ). Ist die Geschwindigkeit jedoch nicht konstant, so lässt sich der im Zeitintervall<br />

[t 1 , t 2 ] zurück gelegte Weg durch Integration bestimmen:<br />

s =<br />

∫ t 2<br />

t 1<br />

v(t) dt .<br />

Kennen wir die Geschwindigkeit explizit als Funktion der Zeit, z.B. v(t) = at, so lässt sich<br />

die Integration mit den bereits aus der Schule bekannten Verfahren durchführen. Ist die Geschwindigkeit<br />

dagegen aus einer Messung nur an diskreten Stellen t i bekannt, so lässt sich der<br />

zurück gelegte Weg durch numerische Integration dieser Folge von Messwerten bestimmen,<br />

wie in Abschn. 5.5.7 beschrieben.<br />

§ 645 Der oben für den Weg gegebene Ausdruck ist ein bestimmtes Integral; wir können<br />

ihn uns genauso veranschaulichen, wie wir auch ein bestimmtes Integral veranschaulichen<br />

würden. Die Funktion v(t) beschreibt die veränderliche Geschwindigkeit des Körpers. Wäre<br />

die Geschwindigkeit konstant, so würden wir einfach v mit der Länge des Zeitintervalls multiplizieren:<br />

das ist die Fläche zwischen dem Funktionsgraphen und der Abszisse bzw. die<br />

Fläche unter der Funktion im Geschwindigkeits–Zeit-Diagramm. Bei einer veränderlichen<br />

Geschwindigkeit bestimmen wir diese Fläche durch Integration. Anschaulich zerlegen wir das<br />

Zeitintervall in kleine Abschnitte ∆t, vgl. Abb. 5.1. Die Abschnitte sind so klein, dass die<br />

Geschwindigkeit innerhalb ∆t als konstant angenommen werden kann. Der Körper legt dann<br />

c○ M.-B. Kallenrode 13. März 2007

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