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Mathematik für Physiker - Numerische Physik: Modellierung

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11.1. MOTIVATION 407<br />

Abbildung 11.1: Momentaufnahmen einer<br />

schwingenden Saite zur Zeit t 0 (rot), t 0 + T/4<br />

(schwarz) und t 0 + T/2 (grün)<br />

§ 1505 Im voran gegangenen Kapitel haben wir Felder kennen gelernt sowie die Ableitung<br />

und Integration derselben. Damit können wir auf einem Feld die gleichen mathematischen<br />

Operationen vornehmen, die wir in Kap. 4 und 5 für Funktionen kennen gelernt haben.<br />

Damit drängt sich die Vermutung auf, dass eine Gleichung, die eine Beziehung zwischen<br />

den partiellen Ableitungen eines Feldes herstellt, auch als Bestimmungsgleichung für ein<br />

Feld verwendet werden kann. Partielle Differentialgleichungen (PDGLs) erfüllen genau diesen<br />

Anspruch.<br />

§ 1506 Partielle Differentialgleichungen treten in der <strong>Physik</strong> daher immer dann auf, wenn<br />

aus der Ableitung eines Feldes (oder allgemein einer Funktion mehrerer Variabler) dieses<br />

rekonstruiert werden soll. Da viele physikalische Größen durch (zeitlich veränderliche) Felder<br />

beschrieben werden, sind PDGLs entsprechend häufig. Die bereits in Abschn. 10.6 diskutierten<br />

Maxwell Gleichungen liefern einen Zusammenhang zwischen den Ableitungen (Divergenz<br />

bzw. Rotation) von elektrischem und magnetischem Feld und den diese Felder erzeugenden<br />

Ladungs- und Stromverteilungen: diese partiellen Differentialgleichungen erlauben die z.B.<br />

Rekonstruktion des Feldes aus der bekannten Ladungsverteilung. Wir werden diesen Themenbereich<br />

im Zusammenhang mit der Poisson Gleichung in Abschn. 11.5 vertiefen.<br />

§ 1507 Ebenfalls aus den Maxwell Gleichungen lässt sich eine andere Form einer PDGL<br />

herleiten, die Wellengleichung. Ihre Anwendungen sind nicht auf das elektromagnetische Feld<br />

beschränkt. Ebenso wie bei der Schwingungsgleichung lassen sich verschiedenen Wellen mit<br />

Hilfe der Wellengleichung beschrieben – nicht die Form der Gleichung, nur die Namen der<br />

auftretenden Variablen und Parameter müssen an die jeweilige Situation angepasst werden.<br />

Auf Grund der Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten werden wir uns mit der Herleitung der<br />

Wellengleichung in diesem Abschnitt etwas genauer beschäftigen: wir werden die schwingende<br />

Saite als Beispiel für eine eindimensionale mechanische Welle betrachten und anschließend<br />

die Wellengleichung für die elektromagnetische Welle als Beispiel für eine dreidiemensionale<br />

Welle herleiten. Die Wellengleichung und ihre Lösungen für verschiedene Geometrien und in<br />

unterschiedlichen Zahlen von Dimensionen werden uns in Abschn. 11.3 genauer beschäftigen.<br />

§ 1508 Eine ganz andere, ebenfalls durch eine partielle Differentialgleichung beschreibbare<br />

Situation, ist die Ausbreitung eines Tintentropfens in einem Wasserglas. Dieser verteilt sich<br />

im Laufe der Zeit auf Grund der thermischen Bewegung der Wassermoleküle über das gesamte<br />

Wasservolumen. Dieser Prozess wird durch die Diffusionsgleichung beschrieben. Eine formal<br />

identische Gleichung, nur wieder mit anderen variablen und Parametern, beschreibt den<br />

Wärmestransport. Beide Gleichungen werden wir in Abschn. 11.6 genauer untersuchen.<br />

11.1.1 Schwingende Saite<br />

§ 1509 Beginnen wir mit einem einfachen eindimensionalen Beispiel, der schwingenden Saite.<br />

Momentaufnahmen dieser Saite sind in Abb. 11.1 gezeigt. So, wie uns die Momentaufnahmen<br />

einen Eindruck von der Bewegung der Saite vermitteln, so können wir auch deren Lösung<br />

betrachten: zu festen Zeiten t wird jeweils die räumliche Abhängigkeit der Auslenkung X(x)<br />

bestimmt. Die Schwingung ist dann die zeitliche Entwicklung dieser Auslenkung, also eine<br />

Funktion A(x, t). Für die von uns betrachteten PDGLs ist stets eine Separation der beiden<br />

Anteile möglich: die Auslenkung wird dargestellt als das Produkt aus der räumlichen Variation<br />

X(x) der Auslenkung und der zeitlichen Variation T (t): A(x, t) = X(x) T (t). Dieser<br />

Zusammenhang wird im Separationsansatz ausgenutzt.<br />

§ 1510 Wie beschreiben wir mathematisch die schwingende Saite? Die Standardannahmen<br />

gehen von einer dünnen und langen Saite aus, d.h. einem idealisierten eindimensionalen<br />

c○ M.-B. Kallenrode 13. März 2007

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