12.02.2014 Aufrufe

Mathematik für Physiker - Numerische Physik: Modellierung

Mathematik für Physiker - Numerische Physik: Modellierung

Mathematik für Physiker - Numerische Physik: Modellierung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

7.9. NUMERISCHE VERFAHREN 275<br />

wie die numerischen Integration von Funktionen keine Stammfunktion sondern nur ein bestimmtes<br />

Integral liefert, liefert die numerische Integration von Differentialgleichungen keine<br />

allgemeine Lösung sondern nur die spezielle Lösung für die gegebenen Anfangsbedingungen.<br />

Auch für die numerische Integration von Differentialgleichungen gibt es eine anschauliche<br />

Interpretation: der Anfangswert ist der Startpunkt, die DGL gibt an, wie sich der Funktiosnwert<br />

verändert, so dass vom Anfangswert auf einen Wert der gesuchten Funktion zu<br />

einem etwas späteren Zeitpunkt extrapoliert werden kann. An diesem neuen Wert wird das<br />

Verfahren fortgesetzt.<br />

7.9.1 Die Idee<br />

§ 1033 Dieser Abschnitt dient nur als Vorüberlegung zur Veranschaulichung der Verfahren,<br />

der formale Einstieg beginnt erst in Abschn. 7.9.2. Hier werden wir numerische Lösungen für<br />

gewöhnliche DGLs erster und zweiter Ordnung an den hinlänglich bekannten Beispielen des<br />

radioaktiven Zerfalls und des ungedämpften Federpendels betrachten.<br />

Homogene DGL 1. Ordnung: radioaktiver Zerfall<br />

§ 1034 Der radioaktive Zerfall wird durch die Differentialgleichung<br />

dN = −λN dt<br />

mit der Anfangsbedingung N(0) = N 0 beschrieben. Zwar gibt die DGL die Veränderung<br />

der Funktion, für ein numerisches Verfahren ist sie jedoch nicht geeignet, da sie Differentiale<br />

enthält. Numerisch Arbeiten können wir jedoch nur mit endlichen Differenzen. Daher ist der<br />

erste Schritt in der numerischen Lösung einer DGL die Diskretisierung, d.h. der Übergang<br />

von der Differential- (zurück 10 ) zur Differenzengleichung:<br />

∆N = −λN ∆t . (7.41)<br />

§ 1035 Die Differenzengleichung gibt die Änderung ∆N der Zahl N der Atome in einem<br />

Zeitintervall ∆t. Die Zahl der Atmone N(t + ∆t) am Ende des Zeitintervalls ergibt sich zu<br />

N(t + ∆t) = N(t) − ∆N(t) = N(t) − λN(t) ∆t .<br />

Durch wiederholte Anwendung dieses Verfahrens lässt sich eine Folge N(t 0 + n∆t) konstruieren,<br />

die eine Annäherung an die gesuchte Funktion N(t) ist.<br />

§ 1036 Ausgehend von der Differenzengleichung (7.41) und der Anfangsbedingung lässt sich<br />

dieses numerische Verfahren wie folgt zusammen fassen. Wähle eine Schrittweite ∆t. Dann<br />

durchlaufe das folgende Schema:<br />

1. Bestimme aus N(t) mit (7.41) die Zahl ∆N der in ∆t zerfallenden Atome.<br />

2. Bestimme die Zahl der am Ende des Zeitintervalls verbliebenen Atome: N(t + ∆t) =<br />

N(t) + ∆N.<br />

3. Erhöhe die Zeit um ∆t: t → t + ∆t.<br />

4. Ist die neue Zeit t kleiner einer vorgegebenen Endzeit und die Zahl N(t) größer Null,<br />

gehe zu Schritt 1 und wiederhole das Schema; sonst Stopp.<br />

§ 1037 Die Qualität eines derartigen Verfahrens hängt von der Schrittweite ∆t oder genauer<br />

von dem Verhältnis aus Schrittweite ∆t und relevanter Zeitskala τ = 1/λ des Systems ab.<br />

Eine große Schrittweite spart Rechenzeit und ist daher anzustreben. Eine große Schrittweite<br />

hat aber den Nachteil, dass während des gesamten Zeitschritts von einer konstanten Zahl N(t)<br />

ausgegangen wird ohne deren Veränderung zu berücksichtigen – damit ist ein entsprechend<br />

großer Fehler des Verfahrens verbunden.<br />

10 Denken Sie daran: der Differentialquotient ist der Grenzwert eines Differenzenquotienten für den Fall,<br />

dass die Differenz im Nenner gegen Null strebt. Der Übergang vom Differential- auf den Differenzenquotienten<br />

kann daher auch so interpretiert werden, dass wir von Differenzen ausgehen und nie den Übergang auf Differentialquotienten<br />

gemacht haben. Die Differenzengleichung hatten wir bei der Einführung der entsprechenden<br />

DGL in Abschn. 7.1.1 bereits betrachtet.<br />

c○ M.-B. Kallenrode 13. März 2007

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!