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Mathematik für Physiker - Numerische Physik: Modellierung

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1.5. ANWENDUNGEN FÜR PRODUKTE VON VEKTOREN 25<br />

schwindigkeit bezeichnet, da sie tangential an der Bahn des Körpers liegt. Diese Definition<br />

gilt für alle Bewegungen, insbesondere also auch für die Kreisbewegung.<br />

§ 125 Wenden wir diese Definition der Geschwindigkeit auf die Bewegung eines der Karussell-<br />

Pferdchen in Abb. 1.5 an – unter der Annahme, dass wir das Pferd als Massenpunkt der Masse<br />

m im Abstand ϱ von der Drehachse betrachten. Oder, da es sich um einen starren Körper<br />

handelt, betrachten Sie nur die Bewegung der Spitze des linken Ohres. Die Bewegung wird<br />

durch die Abhängigkeit seines Ortsvektors von der Zeit beschrieben, d.h. durch ⃗ϱ(t). 9 Mit<br />

Hilfe von Polarkoordinaten lässt sich dies ausdrücken als<br />

⃗v = d dt ⃗ϱ = d ( )<br />

ϱ cos ϕ(t)<br />

= ϱ d ( )<br />

cos ϕ(t)<br />

. (1.11)<br />

dt ϱ sin ϕ(t) dt sin ϕ(t)<br />

Darin hängt der Abstand ϱ nicht von der Zeit ab; der momentane Ort des Pferdchens wird<br />

allein durch den Winkel ϕ(t) beschrieben.<br />

§ 126 Dieser Winkel ϕ(t) lässt sich aus der Winkelgeschwindigkeit ω bestimmen. Diese wird<br />

in Analogie zur Bahngeschwindigkeit als die Änderung des Winkels ϕ mit der Zeit t definiert<br />

als ω = dϕ/dt. Bei einer konstanten Kreisbewegung ist ω = ϕ/t = const. Also erhalten wir<br />

für den Ort ϕ(t) des Pferdchens ϕ(t) = ωt + ϕ 0 mit ϕ 0 als dem Winkel zur Zeit t = 0,<br />

d.h. der Lage des Pferdchens bei Beginn der Bewegung. Setzen wir diesen gleich Null, so ist<br />

ϕ(t) = ωt. Einsetzen in (1.11) liefert<br />

⃗v = d ( )<br />

ϱ cos(ωt)<br />

.<br />

dt ϱ sin(ωt)<br />

Im Vorgriff auf Abschn. 4.5 differenzieren wir den Vektor komponentenweise und erhalten<br />

( )<br />

− sin(ωt)<br />

⃗v = ϱω<br />

.<br />

cos(ωt)<br />

Diese Beschreibung ist formal ebenso wenig befriedigend wie sie unserer Anschauung entgegen<br />

kommt: die Beschreibung mit ⃗v ist unhandlich, da wir intuitiv verstehen, dass eigentlich<br />

nur die Winkelgeschwindigkeit ω wichtig ist. Und die Beschreibung ist formal ein gewisser<br />

Overkill, da die Winkelfunktionen periodisch sind und sich daher die Bewegung, wie auch anschaulich<br />

zu erwarten, jeweils dann wiederholt, wenn das Argument ωt der Winkelfunktionen<br />

2π wird, d.h. nach einer Zeit t = 2π/ω.<br />

§ 127 Die Bedeutung der Winkelgeschwindigkeit ω ist intuitiv klar. Also liegt eine Beschreibung<br />

der Bewegung mit Hilfe von ω nahe. Diese ist jedoch nicht vollständig, da wir keine<br />

Idee haben, wo im Raum die Bewegung stattfindet: steht die Drehachse des Karussells wie in<br />

Abb. 1.5, oder hat vielleicht jemand das Karussell falsch zusammen gesetzt und die Drehachse<br />

steht gerade auf dem Kopf? Oder vielleicht liegt sie auch waagerecht?<br />

§ 128 Sowohl der Ortsvektor ⃗ϱ als auch die Geschwindigkeit ⃗v hängen von der Zeit ab. Der<br />

einzige konstante Vektor ist die Drehachse. Diese steht senkrecht auf der Ebene, in der die<br />

Bewegung erfolgt, d.h. sie steht senkrecht sowohl auf dem Ortsvektor ⃗ϱ als auch auf der<br />

Geschwindigkeit ⃗v. Die vektorielle Operation, die aus ⃗ϱ und ⃗v einen auf beiden senkrecht<br />

stehenden Vektor erzeugt, ist das Vektorprodukt. Da dieses nicht kommutativ ist, bleibt nur<br />

noch die Frage, in welcher Reihenfolge die beiden Vektoren multipliziert werden sollen. Dazu<br />

soll die Rechtsschraubenregel erfüllt sein: weist der abgespreizte Daumen der rechten Hand<br />

parallel zu ⃗ω, so bewegt sich der Körper in der Richtung, in die die gekrümmten Finger<br />

zeigen. Damit ergibt sich für die Winkelgeschwindigkeit in vektorieller Form<br />

⃗ω = ⃗ϱ × ⃗v .<br />

Da wir den Winkel im Bogenmaß angeben, ist der Zusammenhang zwischen dem zurück gelegten<br />

Winkel ϕ und dem zurück gelegten Weg (also Bogen) s: s = ϱϕ. Entsprechend gilt<br />

9 Wir verwenden hier, in Anlehnung an die Zylinderkoordinaten, nicht den Ortsvektor ⃗r sondern einen<br />

Vektor ⃗ϱ, der den Abstand von der Drehachse beschreibt. Wenn der Ursprung unseres Koordinatensystems<br />

mit dem Durchstoßpunkt der Drehachse durch die Drehebene zusammen fällt, so ist ⃗r = ⃗ϱ.<br />

c○ M.-B. Kallenrode 13. März 2007

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