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Mathematik für Physiker - Numerische Physik: Modellierung

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214 KAPITEL 6. KOMPLEXE ZAHLEN<br />

Funktionsgraphen entlang der entsprechenden Koordinatenachse geben. Bei der komplexwertigen<br />

Funktion dagegen bilden wir nicht etwa die Ableitungen entlang der reellen und der<br />

imaginären Achse getrennt sondern bilden konventionell den Quotienten aus der Differenz<br />

der, nun allerdings komplexen Funktionswerte und der komplexen Werte der unabhängigen<br />

Variablen. Das Ergebnis ist ein komplexer Wert für die Steigung.<br />

§ 839 Betrachten wir als Beispiel die Funktion f(z) = z −1 . Die Ableitung ergibt sich gemäß<br />

obiger Definition zu<br />

f ′ 1/z − 1/z 0 z 0 − z<br />

(z) = lim<br />

= lim<br />

z→z 0 z − z 0 z→z 0 zz 0 (z − z 0 ) = lim −1<br />

= − 1<br />

z→z 0 zz 0 z 2 .<br />

Diese Ableitung existiert für alle Punkte z ≠ 0.<br />

§ 840 Diese wenigen Anmerkungen sollen bei Ihnen die Vorstellung wecken, dass komplexwertige<br />

Funktionen mit den bereits von reellen Funktionen bekannten Begriffen betrachtet<br />

werden können. Technisch sind wir dazu jedoch noch nicht in der Lage – diese Details werden<br />

in späteren Vorlesungen geliefert.<br />

6.4.6 War’s das oder kommen noch mehr Zahlen?<br />

§ 841 Jein. Das Fundamentaltheorem der Algebra besagt, dass jedes Polynom n ten Grades<br />

der Form p(z) = z n + a n−1 z n−1 + . . . a 1 z + a 0 für beliebige komplexe Koeffizienten a i ∈ C<br />

und a 0 ≠ 0 genau n Lösungen in C hat, wobei einige Lösungen mehrfach auftreten können.<br />

§ 842 Der Beweis ist etwas trickreich. Für n = 2 ist er einfach, da es eine geschlossene<br />

Form für die Lösungen gibt, die pq-Formel (C.1). Mit etwas mehr Mühe lässt sich dieses<br />

Verfahren auch für n = 3 und n = 4 anwenden, es versagt jedoch bereits bei n = 5, da es für<br />

eine derartige Gleichung keine allgemeine Lösung gibt. Eine Skizze für einen Beweis dieses<br />

Fundamentaltheorems durch Widerspruch finden Sie in [23].<br />

§ 843 Für die Lösung von Polynomen sind die komplexen Zahlen demnach ausreichend.<br />

Aber nicht jede physikalische oder mathematische Fragestellung lässt sich auf ein Polynom<br />

reduzieren. Ein Gegenbeispiel würde eine schnelle Antwort auf die Frage geben – mit unseren<br />

momentanen Kenntnissen finden wir aber keines. Dass heißt aber nicht, dass die komplexen<br />

Zahlen für alle Probleme ausreichend sind – das nächste Beispiel, mit dem wir es versuchen,<br />

könnte das Gegenbeispiel sein.<br />

§ 844 Vielleicht der umgekehrte Versuch: welche Eigenschaften sollte ein weiteres Zahlensystem<br />

haben? Die bisher betrachteten Zahlensysteme fallen in zwei Gruppen: die einfachen und<br />

intuitiven Zahlensysteme von N bis R sind eindimensional. Außerdem ist bei jeder Erweiterung<br />

so angebaut worden, dass die Ausgangsmenge eine Teilmenge des neuen Zahlensystems<br />

ist: N ⊂ N 0 ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R. Die komplexen Zahlen dagegen sind zweidimensional. Es wird<br />

eine neue Größe eingeführt, die imaginäre Einheit i, und die komplexen Zahlen lassen sich<br />

aufbauend auf den reellen Zahlen darstellen als z = a+ib mit a, b ∈ R. Alle eindimensionalen<br />

Zahlensysteme sind eine Untermenge der komplexen Zahlen für b = 0: R ⊂ C. Die ein- wie die<br />

zweidimensionalen Zahlensysteme bilden außerdem Körper, d.h. es existieren Verknüpfungen,<br />

die bestimmten Grundregeln wie Assoziativ- und Distributivgesetz gehorchen und die neutrale<br />

und inverse Elemente enthalten. Insbesondere gelten für die komplexen Zahlen die aus<br />

dem R bekannten Rechenregeln.<br />

§ 845 Ein neues Zahlensystem sollte diese Eigenschaften beibehalten: es sollte ebenfalls einen<br />

Körper bilden und C sollte eine Teilmenge der neuen Zahlen sein. Eine Erweiterung im 2D<br />

ist nicht zu erwarten: R war in einem gewissen Sinn vollständig, so dass sich keine weiteren<br />

Zahlen in dieser Dimension unterbringen ließen. R ließ sich nur durch Hinzunahme einer<br />

weiteren Dimension zu C erweitern. Eine Erweiterung von C müsste in Richtung einer dritten<br />

Dimension erfolgen, z.B. durch Einführung einer neuen Art von X-Zahl j, die nicht in der<br />

komplexen Ebene gefunden werden kann. In diesem drei-dimensionalen System lässt sich jede<br />

13. März 2007 c○ M.-B. Kallenrode

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