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Koordination und Qualität im Gesundheitswesen

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Exkurs: Prävention neuer <strong>und</strong> wieder neu auftretender übertragbarer Krankheiten<br />

Gr<strong>und</strong>lagen<br />

186. Seit den gr<strong>und</strong>legenden Arbeiten von Robert Koch <strong>und</strong> Louis Pasteur konnten <strong>im</strong> 19. <strong>und</strong><br />

20. Jahrh<strong>und</strong>ert erhebliche Erfolge in der Kontrolle von übertragbaren Krankheiten erzielt werden.<br />

Im Verlauf des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden in den industrialisierten Ländern viele Infektionskrankheiten<br />

durch verbesserte allgemeine Lebensbedingungen, Hygiene sowie den medizinischen<br />

Fortschritt zurückgedrängt. Nach Einführung des Penicillins <strong>und</strong> der flächendeckenden<br />

Schutz<strong>im</strong>pfungen nach dem Zweiten Weltkrieg schien der Sieg des Menschen über die Infektionskrankheiten<br />

absehbar, was einen Perspektivwechsel von Wissenschaft <strong>und</strong> Politik auf die<br />

Gefahr chronischer Krankheiten auslöste (Garret, L. 1994). Die eindrucksvollen Erfolge der<br />

Impfprogramme erreichten mit der Ausrottung der Pocken 1977 ihren Höhepunkt. Mit dem<br />

nachlassenden Interesse an übertragbaren Krankheiten blieb jedoch unbeachtet, dass der Erfolg<br />

dieser Maßnahmen auf die industrialisierten Länder beschränkt blieb. So verloren zwar z. B.<br />

Masern <strong>und</strong> Kinderlähmung in Europa durch Massen<strong>im</strong>pfungen innerhalb kurzer Zeit ihren<br />

Schrecken, in Afrika gehören die Masern aber weiterhin zu den Haupttodesursachen von Kindern,<br />

während sich die Kinderlähmung in Asien <strong>und</strong> Afrika Eradikationsversuchen weiterhin erfolgreich<br />

widersetzt. Auch die Malaria verschwand zwar aus Europa <strong>und</strong> Nordamerika, entwickelte<br />

sich aber zur Haupttodesursache der Kinder in tropischen Entwicklungsländern <strong>und</strong> neben<br />

der Tuberkulose zu einer der häufigsten Todesursachen weltweit. Während Infektionskrankheiten<br />

in der industrialisierten Welt nur noch für 1 % aller Todesfälle verantwortlich sind, beträgt<br />

ihr Anteil in den Entwicklungsländern weiterhin über 40 % (Kurth, R. 2004).<br />

Erst das Auftreten <strong>und</strong> die schnelle weltweite Ausbreitung von HIV/AIDS <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Rückkehr der Tuberkulose in die Industrieländer ließ die Gefahr der übertragbaren<br />

Krankheiten zurück ins Rampenlicht rücken (Rosenbrock, R. et al. 2000). Seitdem konnten in<br />

der Prävention <strong>und</strong> Behandlung von HIV/AIDS Erfolge erzielt werden; die aber weiterhin bestehende<br />

Verw<strong>und</strong>barkeit der industrialisierten Welt gegenüber übertragbaren Krankheiten wurde<br />

durch den Ausbruch der Rinderseuche BSE, die weltweite SARS-Epidemie <strong>und</strong> die zunehmende<br />

Resistenzentwicklung gegenüber bewährten Antibiotika bestätigt. Somit stellen mit der zusätzlichen<br />

Gefahr eines Terroranschlags mit biologischen Waffen sowie einer möglicherweise<br />

bevorstehenden Vogelgrippe-Pandemie neue <strong>und</strong> wieder neu auftretende übertragbare Krankheiten<br />

eine große Herausforderung für die Medizin <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitspolitik des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

dar.<br />

Zu den Prototypen für neue Erreger, die erst in den letzten 30 Jahren entdeckt wurden, zählen<br />

neben dem HI-Virus auch Legionella pneumophila-Bakterien (Legionärskrankheit), Ebola- <strong>und</strong><br />

Marburgvirus <strong>und</strong> die neue Variante der tödlichen Creutzfeld-Jakob-Krankheit (nvCJK), die<br />

nach derzeitigem Wissensstand von Rindern mit BSE auf den Menschen übergeht. Das Schwere<br />

Akute Respiratorische Syndrom (SARS), das durch ein bisher unbekanntes Corona-Virus hervorgerufen<br />

wird, infizierte 2003 innerhalb kürzester Zeit 8400 Menschen in 30 Ländern, wovon<br />

über 900 verstarben. Auch wenn SARS durch eine beispiellose globale Kooperation unter kompetenter<br />

<strong>Koordination</strong> der WHO unter Kontrolle gebracht wurde, so muss auch be<strong>im</strong> SARS-Virus<br />

davon ausgegangen werden, dass es sich wie HIV von einem tierischen Wirt erfolgreich an<br />

den Menschen anpassen konnte. Grippeviren können die Speziesbarriere zum Menschen sogar<br />

direkt überspringen, wie das Auftreten der so genannten Vogelgrippe zeigt, die Anfang 2004<br />

durch das H5N1-Virus in Asien hervorgerufen wurde <strong>und</strong> zu 28 Todesfällen führte. Nach bisherigen<br />

Erfahrungen werden Vogelgrippeviren aufgr<strong>und</strong> großer Unterschiede <strong>im</strong> Erbmaterial zum<br />

menschlichen Grippevirus nicht effektiv, wenn überhaupt, von Mensch zu Mensch übertragen.<br />

Es besteht aber die gr<strong>und</strong>sätzliche Gefahr, dass eine gleichzeitige Infektion mit Menschen- <strong>und</strong><br />

Vogelgrippe zu Veränderungen <strong>im</strong> Erbgut der Vogelgrippe führt, die eine effektive Übertragung<br />

des Virus von Mensch zu Mensch ermöglichen könnten. Eine derartige Mutation würde ggf.<br />

einer weltumspannenden Epidemie (Pandemie) den Boden bereiten, deren Auswirkungen die<br />

der Spanischen Grippe, der zwischen 1918 <strong>und</strong> 1920 weltweit bis zu 40 Millionen Menschen<br />

zum Opfer fielen, noch übertreffen könnten.<br />

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