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Koordination und Qualität im Gesundheitswesen

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tionsbereichen zum Einsatz gelangen. Die ,vierte Hürde’ verfolgt jedoch nicht das Ziel<br />

einer Min<strong>im</strong>ierung der Arzne<strong>im</strong>ittelausgaben in der GKV um jeden Preis. Sie darf kein<br />

Alibi bilden, um Versicherte bzw. Patienten der GKV von der Teilhabe am pharmakologischen<br />

Fortschritt unter einseitigen Kostenaspekten auszuschließen.<br />

Die Erfahrungen aus Australien, Kanada <strong>und</strong> Großbritannien, wo eine Nutzen- bzw.<br />

Nutzen-Kosten-Bewertung bereits existiert, deuten darauf hin, dass das Ziel der Ausgabensenkung<br />

nicht dominiert. So führten die Leitlinien des britischen National Institute<br />

for Clinical Excellence (NICE) seit seiner Gründung 2000 zu jährlichen Mehrausgaben<br />

von 575 Mio. £, da der Einsatz neuer Technologien <strong>und</strong> Medikamente in der Regel voll<br />

oder zumindest eingeschränkt empfohlen wurde (Mayor, S. 2002). Die britischen Arzne<strong>im</strong>ittelausgaben<br />

stiegen 2001 um elf <strong>und</strong> 2002 um neun Prozentpunkte (IMS Health<br />

2002, 2003). Gleichwohl geht die Einführung einer ,vierten Hürde’ häufig mit bürokratischen<br />

Hemmnissen einher. So müssen beispielsweise in Ontario Ärzte die Verordnung<br />

eines nicht gelisteten Arzne<strong>im</strong>ittels von den Behörden genehmigen lassen. Im Jahr 2001<br />

gab es nahezu 80.000 solcher Anfragen, die in 70 % der Fälle auch positiv beschieden<br />

wurden (vgl. HealthEcon AG 2003). Dies deutet darauf hin, dass der praktischen Umsetzung<br />

einer Nutzen-Kosten-Bewertung <strong>und</strong> ihrer Berücksichtigung durch den einzelnen<br />

Arzt bei der Verordnung eine große Bedeutung zukommt. Das eigentliche Ziel einer<br />

,vierten Hürde’, nämlich eine kosteneffektive <strong>und</strong> qualitativ hochwertige Pharmakotherapie<br />

zu ermöglichen, bleibt davon unberührt.<br />

908. Entgegen mancher Befürchtungen <strong>und</strong> Fehlinterpretationen bildet die ,vierte Hürde’<br />

bei adäquater Ausgestaltung kein marktinkonformes Instrument einer dirigistischen<br />

Ges<strong>und</strong>heitspolitik. Eine solche Interpretation übersieht, dass auf dem Arzne<strong>im</strong>ittelmarkt,<br />

insoweit die Produkte einer weitgehenden Vollversicherung unterliegen, die ordnungspolitischen<br />

Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Markt- <strong>und</strong> Preismechanismus<br />

fehlen. Da weder der verschreibende Arzt als faktischer Nachfrager noch der Patient<br />

als Konsument ein Entgelt für das von der Krankenkasse finanzierte Arzne<strong>im</strong>ittel<br />

zahlen – <strong>und</strong> auch <strong>im</strong> Falle einer Kostenerstattung nicht die ökonomische Inzidenz tragen<br />

–, sehen sich die Beteiligten nicht gezwungen, ihre individuelle Zahlungsbereitschaft<br />

für ein solches Medikament zu offenbaren. Auf der Nachfrageseite entfällt damit<br />

die Notwendigkeit, über die eigene Zahlungsbereitschaft den Nutzen eines Arzne<strong>im</strong>ittels<br />

zu bewerten <strong>und</strong> diesen den Kosten, d. h. dem damit einhergehenden Nutzenentgang<br />

in einer alternativen Verwendung, gegenüberzustellen (vgl. Wille, E. 2002). Diese<br />

Abwägung von Nutzen <strong>und</strong> Kosten eines Produktes seitens des Nachfragers stellt aber<br />

ein wesentliches Element marktwirtschaftlicher <strong>Koordination</strong> dar. Die ,vierte Hürde’<br />

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