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„Feierlichkeit“ bestimmt werden. Der Genius loci ist nicht der Ausdruck der Eigenschaft einer<br />

Lebenswelt sondern der einer erlebten Sachlichkeit, der abhängig von Standort eines<br />

Betrachters ist. Er glaubt, dass die Entmenschlichung in unserer Zeit mit der Entmensch-<br />

lichung des Raumes in einem Zusammenhang steht.<br />

Der Begriff „Genius loci“ verweist auf den Geist eines Ortes. Gebraucht man ihn, dann kann<br />

er auf ganz verschiedene Inhalte verweisen.<br />

„Die Palette dessen, was Genius loci sein soll, reicht dabei von der rein<br />

metaphorischen und rhetorischen Bedeutung des Wortes, über die geschichtliche<br />

eines an einem Ort erscheinenden „Zeitgeistes“ und eines soziokulturell konstruierten<br />

„Ortsgeistes“, ferner über die Bedeutungen von ökologischen, ästhetischen und<br />

synästhetischen Qualitäten von Orten, bis hin zu ortsgebundenen „Energiefeldern“<br />

und „ortsansässigen“ Naturgeistern“ (Kosljanic).<br />

Dass er in der letzten Zeit eine so große Bedeutung für uns gewonnen hat, scheint einem<br />

tiefen menschlichen Bedürfnis zu entsprechen - geboren aus der zunehmenden<br />

Heimatlosigkeit des modernen Menschen.<br />

In der Antike verband man jeden Ort mit einem Geist (griech. „daimon“, römisch „genius“).<br />

Bei Eingriffen (z.B. Lichtungen) brachte man ihm ein Sühneopfer, um ihn gnädig zu stimmen.<br />

Gelegentlich besaß man dafür sogar einen eigenen Altar. Nach Prudentius gab es „keinen<br />

Winkel ohne einen Genius“. Zunächst war er nur an einen Ort gebunden und damit klar<br />

abgrenzbar und charakterisierbar gewesen. Später wurden ihm auch Funktionen zugesprochen<br />

(z.B. die eines Schutzgeistes des Hauses oder des Ackers). Er war dann in erster Linie<br />

zunächst an seine Aufgabe und erst in zweiter Linie mit dem Ort verknüpft. Im Laufe der Zeit<br />

verlagerte sich dann der Begriff vom Individuell-Örtlichen völlig zum Allgemein-Funktionalen<br />

und ein Teil seines einstigen Inhalts ging verloren.<br />

In dem Begriff „Genius loci“ der Antike kommt besonders das Angemutetwerden der<br />

Menschen von einem Ort zum Ausdruck. Der archaische Mensch ordnete sich dabei in die<br />

Natur ein. Sie war für ihn beseelt. In den Bäumen, den Gewässern oder Felsen wohnte ein<br />

Geist. Jeder Eingriff in eine gegebene Situation orientierte sich am Vorgefundenen und stärkte<br />

nur die zuvor gemachten Erfahrungen. Später wurde der archaische Volksglaube von dem<br />

panhellenistischen, olympischen Götterglauben ohne Brüche überlagert. Es war kein Zufall,<br />

dass man nun dessen Tempel an den vorher schon verehrten, landschaftlich herausragenden<br />

Orten aufgestellt hat. Im antiken Menschen weckte ein „göttlicher Ort“ ein „göttliches<br />

Gefühl“. Ihn mutete dabei das Geheimnisvolle eines Ortes, das Staunen erregende, die<br />

Erhabenheit alter Bäume oder ein schauerregender Ort an. Er weckte in ihm ein Gefühl der<br />

Ehrfurcht, der Geheimnishaftigkeit oder des Grauens - d.h. er löste in ihm eine Stimmung aus<br />

- er sprach mit ihm (diese Art eines archaisch-mythischen Erlebens ist uns heute nur noch<br />

begrenzt möglich).<br />

Man unterschied zwischen ländlichen und städtischen Genius-loci-Stätten:<br />

- Bestimmend für die ländlichen war das Natürlich-Gewordene, das Naturhaft-<br />

Räumliche. Der Mensch musste ihnen mit einer ehrfürchtigen Scheu begegnen, wenn<br />

er nicht mit Strafen wie Krankheit, Tod oder Ehrverlust wegen seiner Verblendung<br />

rechnen wollte.<br />

- Bestimmend für die städtischen Stätten war das Geschichtlich-Gewordene, das<br />

Schicksalhaft-Zeitliche.<br />

Kennzeichnend für den archaisch-mythischen Genius loci war seine enge Beziehung zum<br />

Schicksal des Menschen. Ihr Werden und Vergehen war aufs Engste mit ihm verbunden. Der<br />

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