25.10.2013 Aufrufe

Buch downloaden (.pdf, ca. 4.1 MB) - Bert Beitmann

Buch downloaden (.pdf, ca. 4.1 MB) - Bert Beitmann

Buch downloaden (.pdf, ca. 4.1 MB) - Bert Beitmann

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Mensch ordnete sich in einen solchen Ort ein. Mögliche menschliche Eingriffe betonten oder<br />

verdeutlichten nur dessen Charakter. Der Ort blieb in seiner Grundform unverändert. Er<br />

wurde nicht deformiert oder baulich umgestaltet, sondern nur so überformt, dass das<br />

Vorausgegangene erhalten blieb.<br />

Der archaisch-mythische Ansatz baute auf „naturreligiöse“ Vorstellungen, wie sie oft in<br />

„schamanisch-archaischen“ Kulturen vorkommen. Ihm folgten dann die olympischmythischen<br />

Überformungen. Die olympischen Götter rückten ins Bewusstseinszentrum als<br />

eine von der griechischen Oberschicht getragene antik-mythische „Hochreligion“ (=<br />

„homerische Religion“). Sie war panhellenistisch orientiert. Die Lokalkulte blieben aber<br />

bestehen. Sie wurden nur von ihrem bisherigen ersten Platz verdrängt. Damit auch das<br />

Genius-loci-Konzept als solches. Über dem ortsgebundenen Gott (Daimon) standen jetzt nur<br />

die ortsübergreifenden olympischen Gottheiten. Diese waren für die antiken Menschen<br />

sozusagen Landschaftsgötter. Man erlebte sie als ortsübergreifende Atmosphären. Bei<br />

Eingriffen in die Landschaft hielt man sich ehrfürchtig zurück, fügte sich in sie ein, bzw.<br />

ordnete sich ihr unter.<br />

Mit dem Aufkommen des Christentums veränderte sich der Inhalt des Genius-loci-Begriffes.<br />

Es kommt zu einer Spaltung zwischen dem als heilig akzeptierten Wallfahrtsort und dem<br />

dämonischen Ort des Volks- (Aber-)glaubens - dem Ort der Verehrung und dem einer<br />

Verteufelung. Die alten heidnischen Kultstätten wurden zerstört, mit Kirchen überbaut und<br />

Heilige übernahmen die Rolle des früheren Lokalgottes. Durch den starken geistigen Bezug<br />

des Christentums, seine Forderung nach einer Weltüberwindung und seine Sinnes- und<br />

Körperfeindlichkeit gingen die alten mythischen Bezüge mit ihrer Sinnes- und Körperfreude<br />

und ihrer undogmatischen Vielheit verloren - allerdings oft nur für deren intellektuelle<br />

Oberschicht, während das breite Volk weiter seine Ortsheiligen anrief.<br />

Das „Heilige“ eines Ortes ging verloren. Der Inhalt des Wortes „numinos“ (= göttlich) wird<br />

gespalten in dämonisch (= teuflisch) und heilig (= wunderbezogen). Man bewertet jetzt einen<br />

Ort moralisch. Die „Genii Locorum“ galten jetzt als teuflisch und bekämpfendswert, während<br />

die Lokalheiligen der Heiligenverehrung dienten - die einen bestimmten stark den verurteilten<br />

Volksglauben (u.a. Verurteilung als Spukorte) der bäuerlichen Lebenswelt, während die<br />

anderen als Wunderstätten (z.B. Wallfahrtsorte) angesehen wurden. Das zuvor Gewesene<br />

wird völlig aufgelöst und in eine neue Form gebracht. Die alte mythische Schicht wird<br />

unterdrückt und überbaut. An die Stelle eines Quellheiligtums wird jetzt z.B. eine christliche<br />

Kirche gebaut, an die Stelle der gefällten Eichen werden jetzt Linden gepflanzt.<br />

Das frühe und mittelalterliche Christentum spaltete das Daimonische in einen negativen und<br />

positiven Bereich, einen Dämonischen und einen von der Heilslehre getragenen. Während der<br />

Reformationszeit wird dann im protestantischen Bereich die Heiligenlehre ganz aufgegeben<br />

und die zuvor heiligen Stätten entweiht. An der Existenz eines Teufels wird dagegen von allen<br />

weiter geglaubt. So werden z.B. die Hexenverfolgungen besonders in reformierten Gegenden<br />

weiter getätigt. Erst mit der Aufklärung verliert dann auch das Dämonische allmählich seinen<br />

Einfluss. Gleichzeitig erfährt das antike Genius-loci-Konzept eine Wiedergeburt. Als<br />

künstlerischer Inhalt wird dem Geist eines Ortes wieder eine ästhetische Bedeutung<br />

zugesprochen. Einerseits löst sich die Kunst aus dem Sakralbereich, andererseits überträgt sie<br />

auf die Natur einen ästhetischen Inhalt.<br />

Für Petrar<strong>ca</strong> (1307) wird sein Aufstieg auf den Mont Ventoux zu einer zentralen<br />

Lebenserfahrung. Er vergleicht den Weg zum Gipfel mit seinem Lebensweg hin zum ewigen<br />

Leben und den Gipfel selber als dessen Ziel. Erst über die Wahrnehmung seiner selbst erlebt<br />

127

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!