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Buch downloaden (.pdf, ca. 4.1 MB) - Bert Beitmann

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Gewöhnlich sind wir die Gefangenen unserer eigenen Gedanken und Träume. Sie helfen uns,<br />

den alltäglichen Realitäten zu entfliehen. Unsere Mauern stehen nicht um uns herum, sondern<br />

sie sind in uns. Es ist ein Paradox, dass ein Garten, zu dessen Hauptmerkmalen seine Grenzen<br />

gehören, uns selber zu öffnen vermag und uns dabei helfen kann, uns zu uns selber zu führen,<br />

unseren Kopf sowohl von unseren Lasten wie auch von unseren Fluchtträumen frei zu<br />

machen. Es ist nicht zufällig, dass er deshalb zu den Hauptbereichen der Zen-Kultur gehört.<br />

Unsere Wahrnehmungen trennen uns als eigenes Medium einerseits vom Objekt, andererseits<br />

verbinden sie uns aber mit ihm. Immer stehen sie zwischen dem Subjekt und dem Objekt.<br />

Man kann sich deshalb mit dem letzteren auch nie vereinen. Immer kann man sich ihm nur<br />

annähern. Vielleicht gibt es kein besseres Symbol für das Ringen des Apollinischen mit dem<br />

Dionysischen als einen Garten. An keiner Stelle der menschlichen Kultur wird es so deutlich<br />

wie hier. Auf der einen Seite der Mensch mit seinen Vorgaben und auf der anderen die<br />

letztlich unzerstörbare Kraft der Natur, die sich immer wieder gegen ihn durchzusetzen<br />

versucht. Der Garten wird so zu einem Sinnbild des Versuchs einer Herrschaft der Ratio über<br />

die Anarchie - letztlich der Kultur über die Natur. Und so wird er als eine menschliche<br />

Aussage zur Kunst, zur großen Kunst.<br />

Ein bedeutsames Merkmal innerhalb des Sinnesbezuges eines Gartens sind seine flüchtigen,<br />

kurzlebigen, impressionistischen (ephemeren) Erscheinungen. Sie lassen sich nicht gewollt<br />

anstreben, entziehen sich auch einer naturwissenschaftlichen Erfassung. Sie haben aber eine<br />

vorher oft unvorstellbare emotionale Wirkung. Zunächst gehören dazu auch einfache<br />

Geschehnisse wie<br />

- Geräusche (z.B. der Wind im Laub, Vogelgesang),<br />

- Gerüche (z.B. der Blumen),<br />

- Lichtwirkungen (z.B. Schattenspiele),<br />

- Plötzlicher Schneefall (wenn z.B. Vertrautes überlagert wird).<br />

(Ein Garten ist voll von ihnen. Er besteht aus einer Unzahl von Zufälligkeiten und<br />

Veränderungen. In der Regel denken wir bei ihm nur an seine beständigen<br />

Elemente, die seine Eigenart ausmachen und seine Räume bestimmen).<br />

So kann man sich einem solchen kurzlebigen Eindruck kaum entziehen, wenn z.B. ein leichter<br />

Nebel über den Anlagen eines Barockgartens liegt.<br />

In der alten Naturphilosophie des Empedokles (um 500 v.Chr.) kannte man die vier Elemente<br />

Feuer, Luft, Wasser und Erde, aus der sich die Welt zusammensetzte. Nach ihm gab es kein<br />

Entstehen und Vergehen, sonder nur ein sich ständiges Trennen und Neuvermischen. Dieses<br />

Weltbild wurde erst zu Beginn des 19. Jhs. vom periodischen System der Elemente abgelöst,<br />

um heute nur noch mathematisch-abstrakt unser Universum über die Elementarteilchenphysik<br />

zu erklären. Für unsere Sinne geben diese neuen Erklärungen aber nichts mehr her. Diese sind<br />

im Laufe ihrer Evolution nur auf die Wahrnehmung unserer unmittelbaren, stofflichen<br />

Umwelt bezogen, und für diese gelten nach wie vor die klassischen Grundelemente. Sie sind<br />

es deshalb auch, die den stofflichen Kern unseres Gartens als ideale Lebenswelt bestimmen.<br />

Dadurch ergeben sich für dessen Gestaltung folgende Bauelemente:<br />

- 4 klassische Grundelemente: Erde, Wasser, Luft und Feuer (in all ihren<br />

Erscheinungsformen),<br />

- biologische Bezugselemente: Pflanzen- und Tierwelt,<br />

- kulturbezogne Bezugselemente: Accessoires und Kunstwerke.<br />

Max Ernst hat einmal gesagt, dass seine Hauptbeschäftigung als Maß das „Sehen“ sei. Auf<br />

einen Gartenkünstler übertragen, könnte man sagen, dass seine Haupttätigkeit letztlich das<br />

sich Öffnen gegenüber der Natur mit all seinen Sinnen sei.<br />

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