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5. Die Harmonie<br />

Die Harmonie ist mehr als ein gewöhnlicher Gleichgewichtszustand. Sie ist<br />

bewusstseinsmäßig kein Dauerzustand, sondern durch das Verhältnis von Ausgewogenheit<br />

und Spannung ein labiles Gleichgewicht. In ihr bleibt zu einem vorhandenen Zustand<br />

gleichzeitig das Gegenteil spürbar. Sie wird erreicht durch die Art der Verarbeitung von<br />

Komplementären. In der Gartenkunst ist sie nur schwer erreichbar wegen der vielen<br />

unberechenbaren Faktoren, wie Lichtverhältnissen, Wetter, Geruchswahrnehmungen - und<br />

deshalb kaum direkt planbar. Sie ist am ehesten über eine langfristige Arbeit für einen kurzen<br />

Zeitraum erreichbar (ein zeitmäßig kurzes Gartenbild). Sie muss dann immer wieder durch<br />

neue Eingriffe angestrebt werden. Der Landschaftsgarten, der im gewissen Sinne von ihr lebt,<br />

ist deshalb als Kunstwerk ohne Eingriffe nicht zu erhalten (wohl als Gartendenkmal, doch<br />

besitzt er dann eine andere Qualität).<br />

In der Antike wurde die Harmonie aus den gedachten, ursprünglichen Baugesetzen des<br />

Kosmos abgeleitet. Diese glaubte man über die Zahlenverhältnisse in der Musik gefunden zu<br />

haben (Oktave, Quinte und Quarte). Aus diesem Verständnis folgerte man, dass die Natur und<br />

die Kunst den gleichen göttlichen Gesetzen folgten. Dabei stand das Schöne für das Göttlich-<br />

Wohlgeordnete. Am weitesten hat vielleicht Leibniz diesen Gedanken weiterentwickelt<br />

(prastabilisierte Harmonie), indem er in der Kunst eine Nachahmung des göttlichen<br />

Verstandes sah. Und am konsequentesten wurde dieser Gedanke vielleicht im Großen Garten<br />

von Herrenhausen realisiert (der vielleicht das Ergebnis seiner direkten diesbezüglichen<br />

Ratschläge ist. Dieser Gedanke ist zumindest naheliegend).<br />

Obwohl der Harmoniebegriff auf das griechische „Harmonia“ (= Zusammenfügung)<br />

zurückgeht, bedeutet er bereits bei Heraklit die Einheit als Widerspruch:<br />

„Auseinanderstrebendes ergibt Harmonie und alles entsteht durch Widerspruch“. Heute sehen<br />

wir in ihr den Einklang von Verschiedenem zu einer ausgewogenen Einheit. Nach einer<br />

attischen Sage war die Harmonia eine Tochter des Zeus und die Mutter der Musen (und damit<br />

die Beschützerin der Wissenschaften und Künste). Nach der Theogonie von Hesiod war sie<br />

eine Tochter des Ares (Kriegsgott) und der Aphrodite (Göttin der Schönheit). Als Frau des<br />

Kadmos, d.h. der Welt, war sie zuständig für eine sinnvolle Ordnung.<br />

Für Pythagoras drückt sich die im Universum herrschende Harmonie in der mathematischen<br />

Ordnung und in der ihr nahe stehenden Musik aus (danach waren für ein harmonisches<br />

Maßverhältnis, Proportionen und die Symmetrie für sie bestimmend). Für Heraklit bestand sie<br />

in den Verbindungen der im Fluss sich befindenden Gegensätze. Danach ließen sich alle<br />

Erscheinungen auf unserem Planeten auf ein Ordnungs- und zugleich ein Entwicklungssystem<br />

zurückführen.<br />

Die Pythagoreer übertrugen den Ausdruck der Harmonie auf Erscheinungen der Symmetrie,<br />

deren Proportionen man als schön empfand. Man übertrug sie dann in den Bereich der Musik<br />

und versuchte mit ihrer Hilfe die Gesetze in unserem Kosmos zu verstehen. Man versuchte<br />

die irdischen Gegensätze im Sinne der gefundenen Harmoniegesetze auszugleichen (Platon<br />

übertrug diese Vorstellungen in seine Staatslehre; Aristoteles schuf über sie sein Weltbild. Bei<br />

der Auseinandersetzung mit diesem schufen dann Copernicus und Galilei die Grundlagen zu<br />

unserem heutigen. Erst Newton mit seiner Erkenntnis von der materiellen Wechselwirkung<br />

beendete den Einfluss der Harmonievorstellungen in unserem Naturverständnis. Der<br />

Harmoniebegriff wurde durch andere ersetzt (System, Struktur). Nur in der vom Menschen<br />

unmittelbar gestalteten Welt wird er heute noch gebraucht und bedeutet dann, die<br />

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