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Buch downloaden (.pdf, ca. 4.1 MB) - Bert Beitmann

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Lebensmittelpunkt werden, sei es im Bereich einer persönlichen Freizeitgestaltung oder in<br />

möglichen repräsentativen Funktionen.<br />

Ein Garten kann für seinen Besitzer auch eine religiöse Bedeutung besitzen, da er einer<br />

spezifischen Erweiterung seines Wahrnehmungsumfeldes dienen kann bei der Suche nach<br />

einer religiösen Erfahrung über die Natur, d.h. bei der Suche nach spirituellen Erfahrungen.<br />

Ein gemeinsamer Kern aller Religionen ist die Mystik. Bei einem mystischen Erlebnis werden<br />

die Grenzen zwischen dem Ich und der Umwelt aufgehoben. Ein Zeitgefühl verschwindet,<br />

und man macht die Erfahrung eines höchsten Glücksgefühls. Da eine letzte Wirklichkeit<br />

intellektuell nicht erfasst werden kann, versuchen es religiös ausgerichtete Menschen über<br />

eine emotionale Vereinigung mit der Umwelt. Ihr Hirnzustand wird ein anderer. Über das<br />

Abschalten, die Konzentration werden die Neuronen auf eine Wahrnehmungsebene gebracht,<br />

auf der sich für das Bewusstsein Subjekt und Objekt nicht mehr unterscheiden. Alles wird zu<br />

einer Einheit. Jedes Zeitgefühl geht verloren. Die Hirnzellen ordnen sich dabei dauerhaft neu.<br />

Diese Neuorganisation gilt als das wesentliche Kriterium für eine mystische Erleuchtung. Sie<br />

ist sogar messtechnisch nachweisbar. In den Religionen wird dieser Zustand oft als ein Ideal<br />

angestrebt. Sie können damit den einzelnen innerlich entlasten und ihm helfen einen<br />

Lebenssinn zu finden. Im Garten entsteht dieser Zustand durch das einfache „Da-sein“, das<br />

einfache Tun, das unreflektierte Einlassen der Natur (Umwelt) auf sich. Man gerät dann in<br />

seinem Inneren in die Nähe des Zen-Buddhismus, in die mystische Tradition der Zen-Gärten.<br />

Die hingenommene Monotonie vieler Arbeiten lässt entspannt die Wahrnehmungen auf das<br />

unbewusste Bewusstsein einwirken.<br />

Wie kein anderes Kunstwerk kann ein Garten das individuelle Gegengewicht zu unserer<br />

Massenkultur darstellen. Er kann Wohnraum, Spielraum und Lebensraum sein. In ihm wird<br />

das Naturverständnis des Menschen repräsentiert, d.h. seine Beziehung sowohl zur Natur wie<br />

auch zur Kultur. Er spiegelt immer das Naturverständnis einer bestimmten Kultur, d.h. einer<br />

bestimmten Gesellschaft in einer bestimmten Zeit wieder. Je nach dem<br />

Gestaltungsschwerpunkt kann er verschiedenen Kunstdisziplinen zugeordnet werden. In der<br />

Regel erleben wir ihn aber als ein Gesamtkunstwerk. Über die Einzelperson hinaus besitzt die<br />

Gartengestaltung wie sonst nur der Hochbau als Kunstdisziplin auch eine soziale Funktion.<br />

Dann wird sie zu einer Bühne für Festlichkeiten, Empfänge, das Flanieren, die Konversation<br />

und wie schon zu seinen Anfängen eine Welt der Liebesspiele (besonders in den Bosketten<br />

des Barocks). Als man in ihr noch etwas Teuflisches sah, galt der Garten als ein Raum der<br />

Sünde, der Verführung („Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch).<br />

Gärten haben über ihren Naturbezug auch immer eine Verbindung zum Erotischen gehabt.<br />

Dies war bereits bei den Römern so. Im Mittelalter galten sie, als man in ihnen<br />

kirchlicherseits nur etwas Teuflisches sah, als Orte der „hohen Minne“. In der Renaissance<br />

wurden sie dann zum Schauplatz amouröser Begegnungen, symbolisch bewacht von den<br />

Statuen der Venus oder anderen entsprechenden Symbolträgern. Für die Vielzahl der<br />

unehelichen Kinder aus den höfischen Gärten gab es einen eigenen Begriff („Bankert“). Im<br />

18. Jh. baute man dann in die Landschaftstempel Liebestempel und Liebesgrotten, und im 19.<br />

Jh. waren die städtischen Parkanlagen Treffpunkte für alle sexuellen Praktiken. Man kann<br />

symbolisch viele antike Fruchtbarkeitsgötter in den Garten stellen - der vielleicht erotisch<br />

eindeutigste bleibt dabei Priapos. Der Garten wurde geradezu zu einem Symbol für das<br />

erotische Zusammensein, angefangen von den neckischen Spielereien bis hin zur amourösen<br />

Zweisamkeit.<br />

Eine Kultur ist die Summe von traditionellen Denkmustern, an denen sich der einzelne<br />

orientiert. Vorprogrammiert sind wir aber auf eine biologische Welt mit gewissen Freiräumen<br />

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