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Das Besondere der Gartenkunst ist, dass sie wie keine andere Kunstdisziplin mit den<br />

ästhetischen Urbedürfnissen des Menschen zu spielen vermag - Urbedürfnissen, die ansonsten<br />

in unserer postindustriellen Massengesellschaft an den Rand gedrängt werden, zu<br />

verkümmern drohen und dann nur noch über Extremreize angesprochen werden können. Eine<br />

Folge davon ist eine Schädigung des menschlichen Stoffwechsels, da ihm die dafür<br />

notwendige „natürliche“ Reizwelt fehlt.<br />

Als Lebewesen sind wir weitgehend auf Wahrnehmungen aus der Umwelt hin angelegt. Wir<br />

registrieren sie und sichten sie dann (weitgehend unbewusst) nach ihrer Bedeutung für uns.<br />

Unsere Wahrnehmungsebenen dabei sind im Garten hauptsächlich auf dessen visuelle,<br />

geruchsbezogene, akustische und taktile Bilder eingestellt. Die geschmacksbezogenen spielen<br />

in der Regel nur eine Nebenrolle. Über seine Wahrnehmung tritt jeder Mensch in eine<br />

spezifische Kommunikation mit seinem Garten. Seine heutige Umwelt ist dagegen<br />

weitgehend kulturell bestimmt. Allerdings nehmen wir auch sie mit unseren ursprünglich auf<br />

die Natur bezogenen Sinnen wahr. Auch unsere Kommunikation im kulturellen Bereich<br />

erfolgt über deren elementare Reizbarkeit.<br />

Man geht davon aus, dass heute das Auge 80 % der neuronalen Prozesse bestimmt. Wir leben<br />

in einer Augenkultur der Pixel. Für die moderne Kunst allgemein bedeutet dies, dass sie<br />

Ebenen ihrer Tiefenkultur verliert (die aber in einem Garten sehr wohl noch gegeben sind,<br />

z.B. der Geruch). Die bildnerischen Strukturen wirken auf unsere Stimmungen ein. Sie<br />

schaffen Gefühlswerte. Dies gilt besonders für das Licht und die Farben. So aktivieren warme<br />

Farben unser autonomes Nervensystem und erhöhen damit unseren Pulsschlag (rottonige<br />

Räume werden bei gleicher Temperatur um 3 – 6° C. wärmer eingeschätzt als blautonige).<br />

Dunkle Räume werden oft als bedrohlich empfunden. Sie wecken schnell Angst.<br />

Unsere Sinne reagieren auf Schlüsselreize, bei denen einzelne Kernmerkmale im Vordergrund<br />

stehen. Bei einer angestrebten Signalwirkung werden sie überbetont (gestalterisch erreicht<br />

man den gleichen Effekt auch über eine Reduktion auf wenige Merkmale oder Elemente).<br />

Besonders in der modernen Kunst werden gerne solche Signalreize eingesetzt (z.B. von Klee<br />

und Miró). Bereits bei Tieren dienen Streifen, Flecken, Muster oder Farben der innerartlichen<br />

Kommunikation. Das Überzeichnen phylogenetischer Reizmuster kennt man schon aus den<br />

Kulturen der frühen Menschen oder von den Naturvölkern. Dazu gehörten gestalterisch die<br />

Sexualorgane, die Hände (z.B. als Symbol der Abwehr oder als Geste des Segens) oder das<br />

„Kindchenschema“. Wie stark auf uns phylogenetische Vorgaben noch einwirken, mag das<br />

Beispiel deutlich machen, dass viele Personen gegenüber kleinen Spinnen schnell Ängste<br />

entwickeln, während sie gegenüber dem viel gefährlicheren Autoverkehr entsprechende<br />

biologische Schutzmechanismen nicht kennen.<br />

Allen unseren Wahrnehmungen sind Emotionen angelagert. Dabei ist es z.B. bei den Farben<br />

erst unsere jeweilige Kultur, die deren Bedeutung festlegt. So ist in Europa die Farbe der<br />

Trauer schwarz, in Asien weiß und in Guatemala (Maja) bunt. Wir transportieren über die<br />

Farben unsere Wünsche mit dem Ziel, damit Emotionen zu wecken (Menschen versuchen sich<br />

über sie anziehender zu machen. Dabei sind ihre emotionalen Inhalte oft traditionell<br />

festgelegt. So ist auch heute noch die Farbe „Blau“ bei Verpackungen sehr beliebt, wird aber<br />

bei Nahrungsmitteln abgelehnt (weil „schlecht“ gewordene Nahrungsmittel schnell einen<br />

blaugrauen Ton annehmen). Man kennt unterschiedliche Farbvorlieben in verschiedenen<br />

Kulturen, bei den verschiedenen Geschlechtern und auch bei den verschiedenen<br />

Altersgruppen. Genau genommen gibt es keine verbotenen Farbkombinationen. Ein „guter“<br />

oder ein „schlechter“ Geschmack sind nur Aussagen einer sozialen Milieuzugehörigkeit.<br />

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