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Akademische). Da ein hemmungsloser Lebensgenuss schnell über eine Übersättigung zu einer<br />

inneren Leere führen kann, bleibt der persönliche Stil die wichtigste Möglichkeit uns auf<br />

unser Paradies hinzubewegen. Während der Lebensreformbewegung hieß dies Leben und<br />

Kunst zu vereinen - für ihre Künstler, zu ihren schöpferischen Ursprüngen zurückzukehren.<br />

In diesen geistigen Bezügen ist eine herausragende Stellung der Gartenkunst naheliegend. Es<br />

hat sie aber während der Lebensreformbewegung nicht gegeben und so war ihr Versinken in<br />

die Bedeutungslosigkeit als Kunstdisziplin im vergangenen Jahrhundert folgerichtig. An die<br />

Stelle dessen hatten die anderen Künste (besonders im 19. Jh. die Malerei, im 20. die<br />

Bildhauerei) den Garten für ihre Zwecke entdeckt. Sie übertrugen auf ihn ihre eigenen Farb-<br />

und Formgesetze und lösten sich von seinen bisherigen naturbezogenen Formgesetzen. Sie<br />

entwarfen Zaubergärten mit Wunderblumen (z.B. Rousseau). Einen Höhepunkt erreichte<br />

diese Entwicklung in der surrealistischen Malerei. Der Garten wurde hier zu einem<br />

symbolischen Ort (z.B. Ernst, Dali). Heute ist er in der Malerei oft nur der Ausdruck für ein<br />

abstraktes Zeichensystem (z.B. Klee) und Modell für irgendein ästhetisches oder soziales<br />

Konzept, in dem der Paradiesbezug kaum noch erkennbar ist.<br />

Seit Urzeiten gilt der Garten als ein Symbol für das Paradies. Das galt für die Perser im<br />

Zarathustrismus (nach der Neugestaltung der altiranischen Religion), für die Griechen und<br />

ihre Hesperiden, für die Kelten mit ihrem Avalon („Apfelgarten“, später Sitz von König<br />

Artus) und die Germanen mit ihrer Gartenwiese um den Folkwang, dem Wohnsitz der Göttin<br />

Freya in Asgard. Wahrscheinlich stand der Garten in allen Kulturen für das Paradies. Der<br />

phylogenetische Hintergrund ist nach Gordon Orions die Ideallandschaft auf die hin der<br />

Mensch sich in seiner Evolution entwickelt hat, die afrikanische Savannenlandschaft der<br />

ersten Menschen. Und unser Traum vom Paradies erweist sich letztlich von dorther gesehen<br />

als eine ständige Suche nach dieser Urerinnerung. Er ist ein tief im Menschen verankertes<br />

Sehnsuchtsbild.<br />

Im Bereich unserer kulturabhängigen Paradiesvorstellungen handelt es sich bei einem<br />

Paradies um einen durch eine Mauer (die damit auch zugleich zwischen gut und böse<br />

scheidet) von der Umwelt abgegrenzten Ort (einem Hortus conclusus, im Mittelalter ein<br />

beliebtes Motiv der Mariendarstellungen: „Paradiesgärtlein“, Maria im Rosenhag“). Das<br />

christliche Bild eines „verschlossenen Gartens“ stammt aus dem Hohelied Salomons. In den<br />

mittelalterlichen Bildern steht Maria symbolisch für das Paradies. Das Urbild eines solchen<br />

kulturabhängigen Gartens, Paradieses ist der altpersische Chahar bagh, der Vierungsgarten -<br />

in Indien ein ummauertes Rechteck, von dessen vier Seitentoren aus jeder Himmelsrichtung<br />

eine Straße zum Weltenbaum in der Mitte führt -, der in der Bibel dann später von den vier<br />

Flüssen bestimmt wird und einem Apfelbaum, dem Baum der Erkenntnis. Bei aller<br />

Abgeschlossenheit nach außen und der Rationalität seines symmetrischen Aufbaus war das<br />

Erleben eines solchen Gartens äußerst sinnlich. Dazu trugen der Schatten unter den Bäumen<br />

bei, das Murmeln des Wassers in den Kanälen und der Duft der Pflanzen. Eine gewisse<br />

Ahnung von diesen früheren Gärten kann heute noch der Orangenhof an der Moschee von<br />

Cordoba vermitteln.<br />

Heute ist es die Gartenkunst, die den Gedanken der Paradiessuche am konsequentesten<br />

aufgreifen kann - ja deren zentraler Inhalt er geradezu ist. Jeder vermag hier im Rahmen<br />

seiner Möglichkeiten seine Vorstellungen im Sinne seiner Erwartungen umsetzen, seine<br />

eigenen Sehnsüchte darin verwirklichen (wenn er den Mut hat, sich von den modischen<br />

Konventionen seiner Umwelt zu lösen). Durch die individuellen Eingriffe kann jeder Garten<br />

(auch der kleinste) zu einer Stätte der Zwiesprache von Mensch und Natur werden, zu einer<br />

Stätte in der man seine eigene innere Ruhe wiederfinden kann.<br />

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