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Buch downloaden (.pdf, ca. 4.1 MB) - Bert Beitmann

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Umgang mit ihr, je mehr wir uns in unserer Zivilisation von ihr entfernen, zu einem<br />

existentiellen Programm (und keine der Kunstdisziplinen kann es so breit abdecken wie die<br />

Gartenkunst).<br />

Es ist ein Problem, dass in Ermangelung allgemein anerkannter Zuweisungskriterien heute<br />

jeder Tabubruch und jedes Ausleben von Neurosen zur Kunst erklärt werden kann. Natürlich<br />

lässt sich die Selbstbefriedigung vor einem Publikum (1972 New York, 1994 Wien) von<br />

Kunstkritikern auch als Protestakt gegen den Missbrauch des menschlichen Körpers erklären.<br />

Auch über die Erledigung seiner Notdurft auf einem Meißener Teller ließe sich<br />

wahrscheinlich sehr viel Bedeutungsvolles sagen, doch behält eine solche Entgrenzung des<br />

Kunstbegriffs etwas Unbefriedigendes. Ein großer Teil des gegenwärtigen Kunstmarktes<br />

scheint zu einer Entäußerungsschau psychisch kranker Menschen geworden zu sein, in der<br />

man sich wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ gegenseitig die Gewänder lobt.<br />

Letztlich nutzen hier nur die Beteiligten, die einst privilegierte Stellung der Künste vor der<br />

bürgerlichen Gesellschaft für ihre Selbstdarstellung.<br />

Selbst bei einem Paradigmenwechsel muss die Kunst für einen echten Dialog ihre Kriterien,<br />

unter denen sie antritt, benennen können. Es ist richtig, dass heute zu ihren Aufgaben das<br />

ständige Hinterfragen unserer kulturellen Normen gehört (weil sie oft im Gegensatz zu<br />

„unserer“ Natur stehen) und dass sie damit auch eine gesellschaftliche Funktion besitzt. Damit<br />

verbunden muss sie nicht immer „schön“ sein, darf provozieren, weh tun und zu<br />

Auseinandersetzungen anregen. Sie ist ein Teil unseres Bewusstseinshintergrundes. Moderne<br />

(offene) Kunst erlaubt das ungehemmte Assoziieren. Aber ist alles erlaubt, alles richtig, nichts<br />

falsch? Kann eine künstlerische Aussage unverbindlich sein, ohne einen Aussagewert. Der<br />

Interpretierende in ihr bleibt letztlich allein auf sich zurückgeworfen und folgt, losgelöst<br />

durch einen Reiz, seiner eigenen Gedankenwelt (in diesem Sinne befreit die moderne Kunst<br />

oft nicht, wie sie es von sich behauptet, sondern verfestigt nur den Käfig, in dem jeder steht).<br />

Das Eigentliche in der modernen Kunst ist für den Künstler deren Entstehungsprozess, die<br />

Verbindung eines Inhalts mit einer Form. Dabei steht der einzelne Künstler bei jedem neuen<br />

Werk immer vor einem Anfang, und jeder Inhalt ergibt sich aus seiner Erfahrung, die im<br />

einzelnen Fall nur ein Hinweis auf ein Problem sein kann. Vielleicht ist das eigentliche<br />

Problem der modernen Kunst ihre babylonische Sprachvielfalt, in der kaum jemand den<br />

anderen tatsächlich versteht. Eine wissenschaftliche Herangehensweise hilft nicht, weil sie<br />

deren Eigenart nicht erfassen kann, wie z.B. die physikalische Erklärung des Lichts (über<br />

seine Aufspaltung in seine verschiedenen Wellenlängen) dieses einen Blinden kaum verstehen<br />

lässt. Letztlich bleibt die Kunst immer auch weitgehend ein emotionaler Ausdruck, eine<br />

Angelegenheit des Gefühls auf dem Hintergrund phylogenetischer und kultureller Vorgaben.<br />

Ihre entscheidenden Kriterien sind letztlich nicht ihre rational festgemachten Momente oder<br />

Details, sondern letztlich ihre gefühlten Aussagen, wie das Kraftvolle und die Eindeutigkeit<br />

einer Linienführung, Formgebung und die Sinnlichkeit des Wahrgenommenen.<br />

Wir stellen zunächst drei inhaltliche Forderungen an die Kunst:<br />

1. Sie ist eine Reaktion auf die Umwelt aus dem Bauch heraus (aus unserer<br />

Instinktwelt).<br />

2. Sie hat einen geistigen Gehalt.<br />

3. Sie besitzt einen Werkcharakter (ein Ergebnis, über das man sprechen kann).<br />

D.h., sie ist ein Kommunikationsmittel über unsere persönliche und soziale Befindlichkeit.<br />

Doch selbst, wenn alle diese drei Bedingungen erfüllt sind, muss man ein umgekipptes Urinal<br />

in einem Museum noch nicht als ein „großes“ Kunstwerk ansehen.<br />

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