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Wahrnehmungshintergrund der Gartenkunst schafft nun die Besonderheit, dass sie das<br />

„Schöne“, die Ästhetik in ihrem Bereich nicht aufheben kann, selbst wenn sie es möchte.<br />

Ein Künstler bringt in seiner Arbeit seine Empfindungen, seine Gedanken zum Ausdruck, und<br />

der Betrachter entwickelt diese für sich wieder zurück. Der Künstler chiffriert ein inneres<br />

Bild, und der Betrachter dechiffriert es. Die Kunst wird so zu einem Spiel zwischen<br />

angeborenen archetypischen Aussagemöglichkeiten und phylogenetischen<br />

Wahrnehmungsmöglichkeiten. Beide Fähigkeiten haben ihren Ausgangspunkt in unserem<br />

Gehirn. Durch diese beiden nichtrationalen Vorgaben im Tun und Lesen eines Kunstwerks<br />

behält dieses immer etwas rational nicht Erfassbares. Richter sagte sogar einmal, dass man<br />

über seinen eigentlichen Gehalt überhaupt nicht reden könne. Unterbewusst erfassen wir die<br />

Gegenstände unserer Wahrnehmung sehr viel komplexer, als sie uns rational verfügbar sind.<br />

Jeder Umgang mit einem Kunstwerk beruht deshalb letztlich auf einer Interpretation. Seit<br />

Dilthey ist die dafür zuständige Erkenntnistheorie die Hermeneutik (= Kunst der Auslegung).<br />

Die mittelalterliche Auslegung kannte dabei vier Verständnisebenen:<br />

- eine buchstäbliche (z.B. den Text der Bibel),<br />

- eine allegorische,<br />

- eine moralische<br />

- eine mystisch-anagogische (dem Aufstieg des Besonderen zum Allgemeinen).<br />

Durch Schlegel und Schleiermacher wurde sie dann zum Verständnisweg für die<br />

Interpretation von Texten (sprachliche und inhaltliche). Berühmt wurde sie durch den<br />

sogenannten hermeneutischen Zirkel, nach dem die Teilaspekte eines<br />

Betrachtungsgegenstandes nur von seiner Ganzheit her verstanden werden können und<br />

andererseits die Ganzheit nur über ihre Teile. Benötigt wird die Hermeneutik<br />

- als „objektive“ Gegenposition zu dogmatischen Interpretationen und<br />

- zur Verhinderung einer Auslegungsverzerrung eines geistigen Gehalts.<br />

Innerhalb der modernen Kunstwissenschaften wird sie allerdings als unrealisierbar<br />

weitgehend abgelehnt, weil man bisher keine Antwort auf die Frage nach der Einheit aller<br />

Sinndimensionen fand. Da diese in der Gartenkunst aber alle zusammenkommen, hätte eine<br />

solche Antwort für diese eine zentrale Bedeutung.<br />

Nach Schleiermacher hat jede Interpretation von zwei Perspektiven auszugehen, dem<br />

- Besonderen (dem Konkret-Realen; bei Schleiermacher den konkret<br />

vorliegenden Schriften),<br />

- Allgemeinen (dem Gesamtwerk).<br />

Beide Seiten sind nie vollständig zugänglich. Für Dilthey war das „Verstehen“ das<br />

„Nacherleben“ einer „fremden Individualität“. Gadamer hat dann diese Position später als<br />

Subjektivismus abgelehnt. Eine Interpretation ist immer eine Sinnzuschreibung für ein Objekt<br />

durch ein Subjekt und deshalb immer perspektivisch. Im modernen Verständnis haben alle<br />

wahrgenommenen Zeichen einen vielfachen Inhalt, der jeweils nur augenblickhaft zu<br />

erkennen ist.<br />

Kunstwerke waren in der Kunstgeschichte immer interpretationsbedürftig gewesen. Dabei<br />

wird im Laufe der Zeit die inhaltliche (semantische) Ebene schrittweise aufgegeben. Dies<br />

lässt sich gut an der Entwicklung der Malerei verdeutlichen:<br />

- ideale, symbolische Kunst in der Feudalzeit,<br />

- realistische Kunst während des Bürgertums,<br />

- abstrakte Kunst im industriellen Zeitalter.<br />

Auf die Gartenkunst bezogen würde dies heißen: Barockgarten – Biedermeiergarten und dann<br />

der Bruch, weil der Reformgarten, der Weg ins Abstrakte, durch unsere phylogenetisch<br />

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