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Auch die Frühsozialisten des 19. Jhs. hatten als Lebensziel das Paradies auf Erden (Sie<br />

zerstritten sich bei den Überlegungen über den richtigen Weg dorthin).<br />

Um die Jahrhundertwende zum 20 Jh. vertraten viele Vertreter der Lebensreformbewegung<br />

ähnliche Gedanken (Und in der Gegenwart u.a. der Esoterikerkreis Förderation Damanhur bei<br />

Turin).<br />

Mit der Entleerung des Himmels durch die Aufklärung beginnt man zunehmend das Paradies<br />

auf der Erde zu suchen. Mit dem verlorenen Glauben kam zunehmend die Angst vor der<br />

Sinnlosigkeit des Daseins auf. Man beginnt das irdische Paradies mit dem Natürlichen, dem<br />

vom Menschen noch Unberührten gleichzusetzen. Berühmt wurde in diesem Zusammenhang<br />

Rousseaus „Zurück zur Natur“. Romantiker zeigten der Rationalität ihre Grenzen. Eine<br />

Vielzahl pseudoreligiöser Gurus, Esoteriker oder heute Therapeuten wies neue Wege der<br />

Sinngebung. Diese Entwicklung erreichte dann in der Lebensreformbewegung ihren ersten<br />

Höhepunkt.<br />

Im 18 Jh. glaubte man das Paradies in der Südsee gefunden zu haben, in der überwältigenden<br />

Schönheit seiner Natur. Doch immer, wenn die Menschen an die Orte strömten, wo sie<br />

glaubten, es gefunden zu haben, vernichteten sie es (in der Karibik die Goldsucher; in der<br />

Südsee, die bis dahin unbeschwerte Sinnlichkeit, die Syphilis; heute oft der Tourismus).<br />

Exotismen und Orientalismen wurden idealisiert und als unverbraucht dargestellt.<br />

Die „Natur“ wurde zum großen Alternativkonzept zur Großstadt, die Überwindung der<br />

Trennung von ihr, von der Entfremdung zur neuen Aufgabe erklärt. Der Landschaftsgarten<br />

war dann zwar eine erste Projektion des Paradieses, er fand aber seine Grenzen, weil er den<br />

Menschen, seinen Erbauern mit seinen individuellen Bedürfnissen nicht mit einbezog. Dies<br />

forderte dann erst die Lebensreformbewegung ein.<br />

Nach der Aufklärung entstanden zwei Gruppen von Paradiessuchern. Die einen suchten es in<br />

der „Reinheit der Antike“ oder der „Unberührtheit exotischer Länder“, die anderen in großen<br />

Zukunftsvisionen (unter denen die sozialistische Utopie nur die bekannteste ist). Der<br />

Fortschritt sollte alle auftretenden Probleme in der Zukunft lösen. In ihren Versprechungen<br />

sah man das zukünftige Glück. Weiter kann man unter den Paradiessuchern Gruppen finden,<br />

die diese neue Welt aktiv anstreben wollen und andere, die den untätigen Genuss suchen - die<br />

Revolutionäre und die Schlaraffenlandsucher.<br />

Verkürzt kann man sagen, dass der (moderne) Mensch sich immer auf der Suche nach seinem<br />

Paradies befindet, nach dem Augenblick „Verweile doch, du bist so schön“. Es ist das<br />

persönliche Wunschbild, dass in ihm tief angelegt ist, sein Traum vom Glück, seine<br />

Fluchtwelt vor den Missständen seiner Welt. In unserer „zivilisierten“ Welt wird es<br />

zunehmend von der Ahnung bestimmt, was wir mit dem schemenhaften „Ursprünglichen“,<br />

mit der „unberührten Natur“ verloren haben. Und daraus erwächst der Traum von einer<br />

Wiedergeburt eines naturnahen, frühen Menschseins, von der Kraft des naturnahen Menschen,<br />

von einem vitalen Leben, wie es Nietzsche beschrieb.<br />

In unserer Kultur gibt es in der Kunst zwei Möglichkeiten solche Visionen anzustreben: Es ist<br />

das eine Mal über die Sinnlichkeit und das andere formal über den Stil. Dabei kann man die<br />

Oberfläche betonen oder in die Tiefe gehen, auf die Schönheit setzen oder auf die Kraft, in die<br />

Vergangenheit fliehen (Antike, Gotik) oder in die Ferne (Südsee). So setzte Gauguin ihm<br />

gemäß ganz bewusst das „Wilde“, den Ursprung gegen den verklärenden Klassizismus (das<br />

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