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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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106<br />

mich in Deutschland aufhielt, nur im Bankenviertel Frankfurts nicht – dort<br />

lautete der Satz an allen Straßenecken: »Haste mal ´nen Groschen.«. Dort,<br />

wo bei weitem das meiste Geld vorhanden ist, erbaten Bettler offenbar nur<br />

1/10 des ohnehin minimalen Betrages, den sie im Rest der Republik<br />

erhoffen. Damit hing zusammen, daß ich noch nie so deutlich den Eindruck<br />

hatte, daß Menschen mitten unter uns in Deutschland physisch hungerten.<br />

Materiell erfolgreich scheinende Menschen hasteten mit (elend) leerem<br />

Blick – Seelenhunger – und vermutlich voller Geldbörse an dem Elend<br />

vorbei oder stiegen darüber hinweg, wenn es eng wurde. 298<br />

Im Zusammenhang mit Heiligtümern von Kulturen kommt es naturgemäß<br />

zu Phänomenen von Selbstüberschätzung, die nicht nur im Fall von im<br />

Wesentlichen unbewußten Heiligtümern so extrem ausfallen können, daß<br />

man außerhalb der Heiligtümer Gefahr laufen würde, nicht als herausragender<br />

Exponent eines Heiligtums hochgehalten und gefeiert, sondern als<br />

Außenseiter verfolgt und verbannt (heute in die Psychiatrie) zu werden. In<br />

der Gefahr, in extreme Selbstüberschätzung abzugleiten stehen daher auch<br />

herausragende Exponenten des „Heiligtums“ Geld.<br />

In der «Wirtschaftswoche» wurde im Jahr 2000 der im US-amerikanischen<br />

Investment-Banking sozialisierte neue Vorstand der deutschen Bank Edson<br />

Mitchell als Charismatiker charakterisiert, der es wie nur wenige verstünde,<br />

aus »Untergebenen Ergebene zu machen.«. Edson Mitchells „Charisma“<br />

wurde durch eine vielsagende Anekdote illustriert. »„Wer sind Sie denn?“<br />

fragte ihn ein Händler, als der schmächtige Handelschef – er mißt knapp<br />

1,70 Meter – einmal in Frankfurt durch den Handelssaal ging. Mitchell<br />

antwortete: „I am God”«. 299 Im «manager magazin» wurde resümiert<br />

»Wenn es einen Charakterzug gibt, der im Investmentbanking nichts zu<br />

suchen hat, dann ist es dieser: Bescheidenheit.« Mitchell wurde<br />

dementsprechend charakterisiert: »Edson Mitchell Superstar. Der<br />

Investmentbanker und Anleiheexperte der Deutschen Bank in London<br />

macht, so scheint es, was er will, und das kann er sich offensichtlich auch<br />

leisten.« Das veröffentlichte Gehalt Mitchells war ca. 15 Mio. US-Dollar<br />

298 Mein Bild ist das unabgeschlossene einer ersten Begegnung und bei weitem nicht so einfach, wie<br />

es sich auf den ersten Blick andeutet. Es war für mich nicht der Eindruck hier „Glanz, Reichtum,<br />

Glück“ – dort „Armut, Elend, Unglück“. Im Gegenteil: Der Blick in die Gesichter und auf die<br />

Gestalten und Bewegungen der Menschen „auf der Sonnenseite“ offenbarte Symptome wie<br />

abgehackte fast maschinenartige Bewegungen, aufgedunsene Gesichter, starre Blicke und glasige<br />

oder trockene Augen. Meine Interpretation dieser Phänomene ist, daß Mißbrauch von Konsum<br />

und Suchtverhalten im weitesten Sinn, und darin sichtbar werdende innere Leere und<br />

menschliches Leid an diesem Ort in besonderer Weise unabhängig von sozialer Zugehörigkeit<br />

existieren.<br />

Das Frankfurter Szenario erinnerte mich, nachdem eine Nacht darüber vergangen war, an ein<br />

Stück von Michael Ende, das ich vor Jahren gelesen hatte: «Die Bahnhofskathedrale stand». (Vgl.<br />

Weitbrecht (Hrsg.) 1989, S. 129 ff.)<br />

299 Hiller von Gaertingen 2000, S. 105.

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