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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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Ethik die Ansicht, »daß die Zugehörigkeit eines menschlichen Wesens zur<br />

Spezies Homo sapiens allein keine Bedeutung dafür hat, ob es verwerflich<br />

ist, es zu töten; entscheidend sind vielmehr Eigenschaften wie Rationalität,<br />

Autonomie und Selbstbewußtsein.« 573 Dazu kann man viel anführen, ich<br />

beschränke mich hier auf zwei persönlich erlebte Beispiele. Wer ein Kind<br />

aufzieht weiß, daß »Rationalität, Autonomie und Selbstbewußtsein« beim<br />

Säugling mit den rationalen Zugängen des Erwachsenen noch nicht<br />

erkennbar sind und sich erst mit der Zeit entwickeln. Säuglinge können<br />

daher in Singers Logik ermordet werden und stehen damit auch „wissenschaftlichen“<br />

Menschenversuchen zur Verfügung. Damit steht die Frage im<br />

Raum, wer entscheidet, ab welchem Maß und welcher Art von »Rationalität,<br />

Autonomie und Selbstbewußtsein« Menschen nicht getötet werden dürfen.<br />

»Rationalität, Autonomie und Selbstbewußtsein« kommt auch Erwachsenen<br />

nicht selten zeitweise oder dauerhaft in unterschiedlichen Schweregraden<br />

abhanden. Teilweise werden solche Verluste auch noch gewohnheitsmäßig<br />

heroisiert, wie Arbeitssucht und Mitläufertum. Weitere Beispiele für den<br />

Verlust von »Rationalität, Autonomie und Selbstbewußtsein« sind einigermaßen<br />

blinde Werbegläubigkeit, ohne Bewußtsein reflexartig ablaufende<br />

Kaufentscheidungen 574 (Gewohnheiten können grundsätzlich auch den so<br />

angedeuteten negativen Anteil enthalten), das Mitlaufen und Mittun bei<br />

gewalttätigen Ausbrüchen, Alkohol- und Drogensucht, die nicht hinreichend<br />

reflektierte Gefolgschaft zu beliebigen Denksystemen und Dogmen und<br />

deren Vertretern. Die gesamte westliche Gesellschaft ist voll von Phänomenen,<br />

die unterschiedlichste Arten und Schweregrade des Verlustes von<br />

»Rationalität, Autonomie und Selbstbewußtsein« mit sich bringen. Aufgrunddessen<br />

menschliches Verbrauchs- bzw. Gebrauchsmaterial von<br />

Menschen mit Persönlichkeitsrechten zu trennen, entspringt willkürlicher<br />

Definition und Machtausübung und ist ein sehr weit gehender Verlust von<br />

ethischer Kultur. Wenn es um Altern und Sterben geht, ist das Problem<br />

ebenfalls virulent. Meine Großmutter lag im Krankenhaus im Sterben und<br />

war für mich ohne äußerlich erkennbares Bewußtsein. Der behandelnde<br />

Arzt riet mir, nicht meine Zeit mit Besuchen »zu verschwenden«. »Ihre<br />

Großmutter merkt eh´ nichts mehr.« Ich glaubte seinen Worten trotz<br />

fehlender eigener abweichender Wahrnehmungen nicht, ohne dem Arzt<br />

bewußte Unehrlichkeit zu unterstellen. Meine Großmutter wurde für alle<br />

überraschend kurz vor ihrem Tod noch einmal wach und sagte mir, daß es<br />

573 Singer 1984, S. 179<br />

574 Das passiert mir bis heute, wenn auch mit abnehmender Häufigkeit und eingebunden in den<br />

Versuch, Gewohnheiten schrittweise zu prüfen und falls sinnvoll erscheinend zu verändern. Im<br />

Marketing nennt man diese Art des Konsums »habitualisierte Kaufentscheidungen« (Vgl.<br />

Kroeber-Riel 1984, S. 316 ff.)

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