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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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aggressives Anklagen und Verurteilen die Gefahr schädlicher<br />

Projektionsprozesse birgt, ist auf der anderen Seite eine gründliche und<br />

achtsame Klärung der eigenen Stellung zum Umgang mit Quantitativ-<br />

Rationalem auch dann dringend erforderlich, wenn man es nicht als allein<br />

seligmachendes Werkzeug der Erkenntnis sieht. Solches gilt umso mehr, als<br />

der Prozeß des Übergriffes des Quantitativen auf Lebendes und Qualitatives<br />

so weit gediehen ist, daß auch dann in Technikkategorien mit Leben<br />

umgegangen werden kann, wenn die eben skizzierte Problematik<br />

unangemessener bzw. nicht hinreichend reflektierter Methodenübertragung<br />

als solche erkannt wurde, z.B.: Wenn Organismen und Organisationen als<br />

„lebende Systeme“ bezeichnet werden, ist damit graduell eine solche<br />

technomorphe Übertragung verbunden. Mir ist dieser genauso elementare<br />

wie typisch „rationale“ Lapsus genauso unterlaufen, wie Konrad Lorenz<br />

selbst. Ebensolches gilt für das Überziehen von Klarheit in Richtung<br />

Schärfe von Formulierungen in Richtung Schatten unter zeitweisem Verlust<br />

der Lichtperspektive. 696<br />

Weiterhin können jenseits der grundsätzlichen Ebene der Ausblendung oder<br />

Nicht-Ausblendung des Qualitativen in Zahlen ausgedrückte „Fakten“ und<br />

„Sachzwänge“ selektiv zum eigenen Machterhalt bzw. Machtausbau benutzt<br />

werden. Meine Erfahrungen im akademischen Umfeld, in lokalen Regierungsorganisationen<br />

und in privatwirtschaftlichen Organisationen sind oft<br />

Zeugnis von dieser Tatsache ab. – Es scheint mir nicht gewagt zu sein, Hexenverbrennungen mit<br />

angstbesetzten Gegenübertragungen in Verbindung zu bringen, wobei im Einzelfall offenbleiben<br />

muß, ob abgeirrte Religion ursächlich oder nur Vehikel war, um unbequeme Menschen<br />

verbrennen zu können. – Entscheidend ist für mich die von Devereux vollzogene<br />

Verallgemeinerung, die besagt, Religion sei nichts als die primitivste Zuflucht des Menschen und<br />

die Abwertung des Werkes von C.G. Jung durch Devereux. Die Tiefenpsychologie in der<br />

Jungschen Ausprägung sei »eine altersgraue obsolete Weltsicht, die in der Maske dessen<br />

daherkommt, was La Barre (1966) eine pseudowissenschaftliche »liberale Theologie« nennt.«<br />

(Devereux 1967, S. 160)<br />

Herausragend und beachtenswert ist für mich das angesprochene Werk nichtsdestotrotz darin, daß<br />

es die spezifische Blindheit moderner Rationalität in radikaler Selbstehrlichkeit mit einer Fülle<br />

von persönlichen Fallbeispielen offenlegt: Jede Sozial- und Verhaltenswissenschaft ist aus der<br />

Sicht von Devereux durch angstbesetzte Gegenübertragungsreaktionen von Betrachter und<br />

Betrachtetem geprägt. Das gilt gerade dann, wenn diese Tatsache mit massivem Aufwand an<br />

Technisierung, Standardisierung und Automatisierung durch einen Anschein von Objektivität<br />

zugedeckt wird. (Vgl. Devereux 1967, S. 11; S. 17 ff.; S. 64.) Ich glaube, daß Devereux damit<br />

einen wesentlichen Aspekt von menschlichen Realitäten im einseitigen Umgang mit Ratinoalität<br />

offen ausgesprochen hat.<br />

696 Der Begriff „System“ ist im modernen Gebrauch technomorph. Im Sinne des hier Geschriebenen<br />

ist „Lebendes“ und „Lebende Organismen“ angemessen, der Begriff „lebendes System“ nicht –<br />

ich selbst habe das erst beim wiederholten Überarbeiten dieses Abschnittes bemerkt und dann<br />

„lebendes System“ durch „Leben“ und „Organismus“ ersetzt.<br />

Konrad Lorenz sitzt dem gleichen Anschauungsproblem auf, wenn er die Funktion des Arztes<br />

analog zum reparierenden Wartungstechniker einer Maschine formuliert. »Der Arzt will die<br />

Strukturen und Funktionen lebender Systeme genau kennen, um sie, wenn sie gestört sind,<br />

wiederherstellen zu können.« (Lorenz 1978b, S. 151)<br />

Insoweit das Thema Schärfe von Formulierungen und damit verbundene Aggressionen bei mir<br />

hinreichend geklärt sind, waren für diesen Text (und darüber hinaus) Kommentare von K.K.<br />

Pullig und Friedrich Glasl Initialzündungen. Danke.

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