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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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295<br />

diesen Zahlen europaweit Tradition hat und die Zahlen als quantitatives<br />

Faktum kaum zu interpretieren sind. 735 Die regelmäßigen „Modernisierungen“<br />

der Berechnungsgrundlage legen fest, wer amtlich als arbeitslos<br />

geführt wird und wer nicht. Modernisierung hat auch hier mit Einsparung<br />

(von Druckerschwärze für große Zahlen und von Auszahlungen an<br />

Anspruchsberechtigte) zu tun. So ist die Realitätsferne der Zahlenbasis der<br />

„Beschäftigungswunder“ von 1997 in verschiedenen europäischen Staaten<br />

nicht ohne weiteres aus dem Vergleich amtlicher Statistiken zu erkennen. In<br />

Großbritannien galt beispielsweise zu dieser Zeit nur als arbeitslos, wer eine<br />

Vollzeitbeschäftigung suchte und amtliche finanzielle Unterstützung zum<br />

Lebensunterhalt erhielt. Diese Unterstützung wurde für maximal 6 Monate<br />

gewährt. Auf diese Art gab es in Großbritannien in der Statistik im<br />

Gegensatz zur Realität keine Langzeitarbeitslosen. In den Niederlanden<br />

waren laut offizieller Statistik 6,3 % der Menschen arbeitslos. Eine Studie<br />

der Unternehmensberatung McKinsey kam auf eine Quote von 20 %. 736<br />

Seit Jahrzehnten wird von Politikern fast jeder Couleur Wirtschaftswachstum<br />

als Heilmittel gegen Arbeitslosigkeit gepriesen. Zugleich weisen die<br />

relevanten Zahlen von quantitativer Entwicklung der registrierten Wirtschaftstätigkeit<br />

und der abhängig (Nicht-)Beschäftigten trotz wiederholter<br />

„Anpassung“ der Berechnungsgrundlagen seit Jahrzehnten einen hochstabilen<br />

gegenteiligen Trend aus. Konzeptioneller Glaube und der Verlauf<br />

amtlicher Statistiken widersprechen sich also deutlich.<br />

Inflationsstatistiken, ihre Berechnungsgrundlage vor und nach der Einführung<br />

des Euros in Deutschland in sachlichen und politischen Zusammenhängen<br />

anzuschauen, ist genauso interessant, braucht aber zu einer fundierten<br />

Besprechung mehr Raum, als ich ihr hier geben möchte. Die Vermutung<br />

ist jedoch naheliegend, daß mit der Umstellung auf das in der Fachwelt<br />

umstrittene »hedonistic pricing« unter den aktuellen Bedingungen geringere<br />

Inflationsraten ausgewiesen werden, als nach dem alten Verfahren. 737<br />

735 Vgl. z.B. Lütge 1997, S. 27.<br />

736 Eine Studie an der Universität Sheffield Hallam kam zur gleichen Zeit für Großbritannien auf<br />

eine Arbeitslosenquote von 14 %. Lütge hält diese Ziffer für umstritten, aber nicht für frei<br />

erfunden. (Vgl. Lütge 1997, S. 27.) Ich kenne seit Jahrzehnten keine Arbeitslosenzahlen, die<br />

nicht ernsthaft umstritten sind.<br />

Solche Zahlen entziehen gerade unter Beachtung ihrer Herkunft zwangsläufig der vielbestaunten<br />

Vorbildfunktion der Thatcherismus genannten radikalen Variante neoliberaler Politik die<br />

wirtschaftspolitische Reputation: Es geht hier nicht um „Nebenwirkungen“ wie ein marodes<br />

Gesundheitssystem und infolgedessen unterversorgte und im Extremfall schneller sterbende<br />

Personen, sozialen Abstieg von Gesellschaftsschichten, sondern um eine behauptete<br />

Hauptwirkung des von Vorschriften befreiten „Arbeitsmarktes“, die nicht eingetreten ist: der<br />

Abbau von Arbeitslosigkeit.<br />

737 Mit Einführung des Euros wurde in Deutschland zum selben Zeitpunkt die formale<br />

Berechnungsgrundlage für die Inflationsrate des privaten Konsums umgestellt. Es geht dabei

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