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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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auch dann, wenn man sich klar macht, daß quantitative Modelle selbst vom<br />

Menschen geschaffene Realität sind.<br />

Die wichtigsten Aspekte der Erkenntnisgewinnung mit quantitativen<br />

Methoden können meßtheoretisch nicht betrachtet werden, weil sie keine<br />

Meßvorgänge sind:<br />

1. Die Betrachtung mehrerer Variablen 606 als Gesamtbild eines Phänomens,<br />

soweit, die hier angesprochenen Relationen zwischen Urbild und Modell ungeprüft zu<br />

postulieren. (Vgl. Dörner, 1995, S. 327.) Es handelt sich bei dieser Haltung um eine dogmatische<br />

Selbstimmunisierung gegen Hinterfragung und Kritik. Die Nichtbeachtung von Realität in der<br />

Meßtheorie ist unproblematisch. Problematisch ist die Übertragung dieser Ausblendung in die<br />

Anwendung von Meßprozessen.<br />

Die Nichtbeachtung der Realität entspricht der sich im Projekt Aufklärung mannigfaltig<br />

widerspiegelnden Überzeugung, daß unmittelbare Erfahrung unmöglich ist. Die Namen<br />

Immanuel Kant, Karl Popper und Paul Watzlawick können als Vertreter dieser Haltung genannt<br />

werden. Es ist die Regel, daß das Weltbild, das einer Betrachtung auf statistischer Basis<br />

zugrundeliegt, in wesentlichen Teilen weder bewußt noch hinterfragt ist. Die Formulierung jeder<br />

Art von Modell der Realität kann mit oder ohne bewußte Handhabung der Begrenztheit und<br />

Subjektivität des eigenen Untersuchens und Handelns zu vernünftigen Resultaten wie auch zur<br />

schlichten Ausblendung von Nicht-Theorie-Konformen führen. Diese Grundqualitäten hängen<br />

von der Haltung der beteiligten Personen ab. Das wissenschaftliche Tun der Axiomatisierung<br />

einer Theorie (d.h. die Formulierung und Klärung der Basisannahmen des eigenen<br />

Theoriesystems) ist in diesem Sinn sinnvoll. Axiomatisierungsversuche sind mir bisher<br />

ausschließlich im Umfeld anspruchsvoller theoretischer bzw. mathematischer Analysen begegnet.<br />

Bei „Praxisbezug“ oder praktischen Anwendungen erfolgte eine Betrachtung der Basisannahmen<br />

(fast) nicht mehr. Weichen die Basisannahmen wesentlich von bedeutsamen Realitäten ab, laufen<br />

axiomatisierte wissenschaftliche Prozesse genauso wie pragmatische Modellierungen und<br />

Strukturierungen Gefahr, das Wesentliche auszublenden und kapitale Fehlschlüsse zu<br />

produzieren.<br />

Die negative Seite von Axiomen ist, daß sie Dogmen der Wissenschaft mit Zwangscharakter sind:<br />

Sie sind Sätze, die wegen des absoluten Wahrheitsanspruchs keines weiteren Beweises mehr zu<br />

bedürfen scheinen. Gehen sie in praktische Modelle ein, sind sie nach wie vor vorhanden, aber im<br />

Alltag kaum noch als solche zu erkennen. Auf diesem Weg kann auch das moderne System<br />

Fetischcharakter und das Verbleiben im System Zwangscharakter annehmen. (Vgl. Adorno in<br />

Adorno et al. 1972, S. 8.)<br />

Folgende Analogie von kirchlich-religiöser und (wissenschaftlich-)profaner Welt gibt einen<br />

Hinweis auf die Basis dieser Haltung: Beide Welten haben Dogmen, auf denen sie in gewisser<br />

Weise ruhen. Die kirchlich-religiöse Welt ist sich der Tatsache bewußt, daß Dogmen ein<br />

prägender Teil ihrer Welt sind (z.B.: Dogmatik ist mit Bezug auf das evangelische und das<br />

römisch-katholische Christentum ein gängiger Gegenstand von Forschung und Lehre und durch<br />

Lehrstühle institutionalisiert.). Die Tatsache, daß im Kern des eigenen Weltbilds Dogmatik<br />

enthalten ist, ist in der „aufgeklärten“ profanen Welt im Gegensatz dazu nicht bewußt. Es ist<br />

schwer bis unmöglich, mit Vertretern eines „konservativen“ wissenschaftlichen Weltbildes über<br />

diese Zusammenhänge in ein Gespräch zu kommen. Dogmatik widerspricht dem<br />

Selbstverständnis als „aufgeklärter“ Mensch; das gilt für Wissenschaftler genauso wie für jeden<br />

anderen Anhänger des Machbarkeitsglaubens.<br />

Bei der Analogiebildung wurde vereinfacht. „Die“ kritische Theorie hat sich dieses Problems z.B.<br />

im Rahmen des Positivismusstreits angenommen: »Wenn Adorno Popper entgegenhielt: „Der<br />

Verzicht auf eine kritische Theorie der Gesellschaft ist resignativ: Man wagt das Ganze nicht<br />

mehr zu denken, weil man daran verzweifeln muß, es zu verändern.“ So zeigt sich darin der<br />

unaufgehobene Gegensatz, daß mit reiner wissenschaftlicher Erkenntnis ein Fortschritt an<br />

Unfreiheit verbunden sein kann, während im emphatischen Begriff der Wahrheit die richtige<br />

Einrichtung der Gesellschaft mitgedacht sein muß.« (Adorno et al. 1972, Einbandtext)<br />

606 Variablen sind die Basis der mathematisch-statistischen Auswertung der Ergebnisse von<br />

Erhebungen. Wenn sie in den üblichen Computerprogrammen vollständig angelegt werden,<br />

beinhalten sie:<br />

1. Die in Zahlen kodierten Ergebnisse je einer Befragungseinheit, z.B. einer mit Ratingskala zu<br />

beantwortenden Einzelfrage. Vgl. zu Beispielen für Ratingskalen S. 233, Fußnote 620.<br />

Variablen beinhalten die Ergebnisse von Erhebungen in statistisch auswertbarer Form.

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