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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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602<br />

dritte Funktion ist die Durchsetzung einer sittlichen Ordnung. […] Die<br />

vierte und wichtigste […] Funktion einer Mythologie ist es […], eine<br />

ganzheitliche Gründung und Entfaltung des Einzelnen zu fördern, in<br />

Einklang d) mit sich selbst (dem Mikrokosmos), c) mit seiner Kultur (dem<br />

Mesokosmos), b) mit dem Weltall (dem Makrokosmos) und a) dem<br />

ehrfurchtgebietenden letzten Geheimnis, das sowohl jenseits von als auch in<br />

ihm und allen Dingen ist:…« 1413<br />

In der «Enzyklopädie des Märchens» werden 31 Qualitäten besprochen, die<br />

mit dem Begriff Märchen direkt verbunden sind. Historisch beinhaltet der<br />

Begriff Märchen ganz unterschiedliche Bedeutungen wie „Nachricht“,<br />

„törichtes Geschwätz“. Die negative Bedeutung lebt weiter in der Aufforderung:<br />

„Erzähl keine Märchen“. Im «Handwörterbuch des deutschen<br />

Aberglaubens» wird das Märchen u.a. so eingeordnet, daß es für<br />

Erwachsene »aber eben in Anpassung ans kindliche Geistesniveau«<br />

geschrieben sei. »Neid und Mißgunst, Eifersucht und Übelwollen, diese<br />

Produkte des NACKTEN EGOISMUS, unter denen die Angststimmung<br />

sich auswächst, bilden den psychischen Untergrund der<br />

M[ärchen]gesellschaft.« 1414 Damit wird „das“ Märchen im «Handwörterbuch<br />

des deutschen Aberglaubens» in die Nähe der Religionsdeutung<br />

Sigmund Freuds gerückt. Es wird als kindlich gebliebenes Projektionsmuster<br />

überforderter Erwachsener angesichts der Grausamkeit und<br />

Sinnleere moderner Realität gedeutet 1415 . Diese Deutung zeigt jedoch nur<br />

eine von vielen Realitäten und Facetten, die mit Märchen verbunden sind.<br />

Ihre tieferen Einsichten verschließen sich so dem rationalitätsvernagelten<br />

Bewußtsein von uns alltäglichen „Erwachsenen“ 1416 . Unabhängig davon,<br />

wie man sich zum Thema „Projektion“ stellt, wird die Aktualität märchenhafter<br />

und mythischer Stoffe deutlich, wenn man sie mit zweierlei Phänomenen<br />

zusammenschaut:<br />

1413 Campbell 1996, S. 15, S. 17<br />

1414 Vgl. Bächtold-Stäubli 1986 Bd. 5, Spalte 1600 (eigene Hervorhebung durch Schrifttyp<br />

„Kapitälchen“)<br />

1415 »Es ist die durch die Härte und Grausamkeit des Lebens, durch die Unbillen der Naturereignisse,<br />

die Erbarmungslosigkeit und die Skrupellosigkeit der menschlichen Umwelt verursachte<br />

G e d r ü c k t h e i t und V e r s c h ü c h t e r t h e i t gegenüber dem S c h i c k s a l , welche nach<br />

dem M[ärchen] greifen läßt, welche das M[ärchen] inspiriert.« (Bächtold-Stäubli 1987 Bd. 5,<br />

Spalte 1600)<br />

1416 Märchen und Mythen enthüllen ihren Sinn nur soweit, wie der Betrachter hinreichend<br />

wahrnehmungsfähig und wahrnehmungswillig ist – dem einseitig rational-diskursiven Denken<br />

bleiben Märchen automatisch verschlossen. Sie entsprechen also im Sinne Goethes fast ganz den<br />

Lehren des Konstruktivismus.

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