25.12.2013 Aufrufe

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

72<br />

öffentliche Debatte ist von kollektiver Irrationalität angesteckt. Heute viel<br />

Friedman, morgen viel Keynes, heute Shareholder Value, morgen<br />

Stakeholder Value. Es geht zu wie in der Haute Couture: Wenn die Röcke<br />

auf den Laufstegen ganz kurz werden, entsteht in den Schneiderstuben<br />

schon der Maxi.« 204 Herdengleich wird von Führungskräften in immer<br />

kürzeren Zyklen hinter „neuesten“ Heilsversprechen hergerannt, die<br />

Konzept oder Theorie genannt werden – in Wirtschaft und Politik – ohne<br />

innezuhalten und zu bemerken, daß permanenter und zunehmend<br />

hektischere Wechsel von Konzepten ein Hinweis drauf sein könnten, daß<br />

etwas an diesem Zyklus grundlegend falsch ist: Der Verzicht auf<br />

Eigenständigkeit zugunsten von unverantwortlicher Uniformität markiert<br />

kollektive Be-Sinn-ungslosigkeit. 205 So kann ein Zyklus von immer wieder<br />

„neu, neu, neu“ tödlich werden. „Neu“ gehorcht dann ca. 500 Jahre alten<br />

Prinzipien wissenschaftlich-analytischen Denkens. Man will „leben,<br />

wachsen, leben“ und übersieht, daß Leben von Individuen und Organisationen<br />

immer zum Tode führt. Darauf verweist Schumpeter genauso wie<br />

Darwin. Solange man sich dem bewußten Umgang mit Sterben und Tod<br />

verschließt, kann das Leben nicht verstanden werden, weil eine angstvolle<br />

Todesflucht antreibt. Doch je schneller man blind läuft, umso schneller folgt<br />

das Sterben. So geht systematisch der Blick auf die Notwendigkeit und<br />

Fruchtbarkeit von Krise, Scheitern und Abschied als Bedingung für<br />

Wandlung verloren, mit dem „Erfolg“ kollektiver Unfähigkeit, mit Krisen<br />

konstruktiv, ausgeglichen und aufrecht umgehen zu können. Der Umgang<br />

mit modernen „Heilsrezepten“ des Managements entspricht nicht selten<br />

diesem Muster durch Unterdrückung der qualitativen Begrenztheiten und<br />

Schwächen sowie der Endlichkeit alles Menschengemachten.<br />

204 Vgl. Heuser 1999, S. 47.<br />

205 »Die Älteren belächeln es schon lange: In regelmäßigen Abständen rennt die gesamte Wirtschaft<br />

- Lemmingen gleich - den aufsteigenden Ast der Worthülsenkonjunktur hinauf, um ebenso<br />

regelmäßig in Katzenjammer abzustürzen. Das war bei CI so, das ist bei TQM so, das wird beim<br />

Reengineering so sein. Denkende Lawinen. Das gilt auch für betriebsinterne<br />

Normierungsversuche, die unter dem Kürzel ISO (International Organization for Standardization)<br />

Konjunktur haben. Hier feiert die Abschlußorientierung (Fremdbestätigung, Zeugnisse, Atteste)<br />

dröhnend ihren Sieg über Fähigkeitsorientierung. […] Keine Frage autoritäre<br />

Vorgesetztenkulturen mit schwachen Führungskräften werden die Disziplinierungsgewinne<br />

einstreichen: Pünktlichkeit, Korrektheit, Unterwürfigkeit, Anpassung, Normdenken. Das ist die<br />

Grammatik der Frühindustrialisierung. Sie diszipliniert und infantilisiert die Mitarbeiter über<br />

Normzwänge.« (Sprenger 1995, S. 128 ff.)<br />

Im «manager magazin» stand im Jahr 2000 sinngemäß das Gleiche. »Selbstbewußte<br />

Industrieführer mutieren zu Handlangern der Kapitalmärkte; Mitarbeitern und Kunden läßt das<br />

schrille Treiben noch nicht einmal Zeit, ihre Verunsicherung zu reflektieren. […] Mergers and<br />

Acquisitions […] sind „ein ganz normales Managementinstrument geworden. […] Dass es so<br />

weit gekommen ist, hat jedoch wenig mit innerer Einsicht zu tun, sondern mit Druck von außen.<br />

[…] Wer kann am besten auf sumpfigem Boden stehen? […] Wer will in solchen zur<br />

Handelsware degradierten Unternehmen noch arbeiten? […] Und fraglos läßt sich in der<br />

Unternehmensszene eine Art „Lemmingeffekt“ beobachten, wie McKinseys Europa-Chairman<br />

Herbert Henzler vermerkt. Die Marschrichtung wechselt, je nachdem, was gerade chic erscheint.<br />

[…] Demnach wäre Diversifizieren wieder an der Reihe.« (Student 2000, S. 124 ff.)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!