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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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an der Oberfläche in Unternehmen der „High“ 1371 -Tech-Industrien und<br />

Anwendern von High-Tech oft anzutreffende blinde Technikgläubigkeit<br />

findet so in einem der geistigen Väter moderner Hochtechnologie ihren<br />

Meister und Narren. Im Zusammenhang mit der KI-Forschung beschreibt<br />

Wiener die Grundeigenschaften der einschlägigen Modelle des menschlichen<br />

Bewußtseins. Sie lassen Bewußtsein als Produkt einer analogen – und<br />

digital nachbaubaren – Rechenmaschine erscheinen. Die damit einhergehenden<br />

Denkprozesse und Prozeduren beschreibt Wiener derart, daß zitieren<br />

auch bei bestem Willen sinnentstellend wirkt 1372 . Ich zitiere trotzdem mit<br />

Genuß und Zustimmung und bitte im übrigen um Verzeihung. »Ein IPS 1373<br />

ist ein von-Neumann-Computer, der, „einigermaßen axiomatisch“ […], in<br />

anthropomorphisierenden Wendungen beschrieben, oder vielmehr ein<br />

Mensch, der in bestimmten Situationen als Computer dargestellt wird.« 1374<br />

Diese Gleichsetzung von Mensch und Computer wird von Wiener umge-<br />

1370 Vgl. Russell et al. 2003, S. 968 ff.<br />

1371 „High“ ist durchaus vieldeutig. Vgl. dazu die Ausführungen von Bauer et al. in diesem Kapitel<br />

auf S. 400 und folgende Begebenheit: In einem der Jobs meiner Studentenzeit wurde aus „High-<br />

Tech“ der geflügelte Gruß Hi! Tech. Die Aufgabe einer Gruppe angelernter Studenten, zu der ich<br />

gehörte, war es, unter Anleitung eines Managers des Produzenten für das Weihnachtsgeschäft<br />

eines der großen deutschen Warenhauskonzerne aus einer Menge von Computerkomponenten<br />

und Software verkaufsfertige Komplettrechner zu machen. Was bei mir im wesentlichen<br />

hängengeblieben ist gehört immer noch zu Realitäten in Organisationen:<br />

1. Von Kontrollzwang geplagte Menschen hätte an der Tatsache einer maximal zergliederten und<br />

linear-kausal aufgebauten Montage ihre helle Freude gehabt, Kritiker von Überkontrolle mehr<br />

an den Frustrations- und Verblödungsgefühlen der montierenden Studenten, den ironischen<br />

Kommentaren und den folgenden Qualitätsverlusten der Montage, die ohnehin vom<br />

Grundkonzept der Montage her schon zu dem Spruch Hi! Tech animierte, da<br />

2. die Räumlichkeiten dreckig wie eine Hinterhofschrauberei für mechanischen Müll waren, keine<br />

Möglichkeiten zum Ausgleich von statischen Spannungspotentialen der Montierenden<br />

geschaffen wurden und das Anlernen so dürftig war, daß auch deswegen Fehler<br />

vorprogrammiert waren. Ich sah zum ersten Mal einen Computer von innen und lernte eine<br />

Grafikkarte in den richtigen Steckplatz zu stecken, die ein weiterer Student mittels Schraube im<br />

Gehäuse befestigte, die ein weiterer Student mit dem Motherboard verkabelte…<br />

3. Ironie machte manches erträglicher – auch die Fehlerquote von ca. 40% (kein Druckfehler)<br />

beim ersten Testlauf der Komplettsysteme vor Auslieferung an den abnehmenden<br />

Warenhauskonzern. Ironie hilft auch beim Denken und wirkt Verblödungsgefahren wenigstens<br />

eine Zeit lang entgegen. Schwieriger wird es jedoch, wenn man der Versuchung zum<br />

Sarkasmus erliegt – nicht nur bei der Fehlersuche und Behebung nach Testlauf mit mangelhaft<br />

ausgebildeten Testern, schlechtem Diagnoseinstrumentarium und nebulösen<br />

Schuldzuweisungen an die Monteure. Sowohl die „Gemeinschaft“ der Monteure mit ihren<br />

Vorgesetzten als auch die vertragliche Bindung des Lieferanten mit dem Warenhauskonzern<br />

waren mehrfach akut vom „Aus“ bedroht. (Die vertraglichen Probleme sind mir nur aus<br />

Drohungen des lokalen „Managements“ mit Arbeitsplatzverlust an die Monteure bei Verlust<br />

des Vertrages mit dem Abnehmer wegen Qualitätsmängeln bekannt. Die Drohungen machten<br />

die Qualität der Montage nicht besser, dafür stiegen die humoristischen Fähigkeiten der<br />

bedrohten Monteure. Also wurde nach Montage intensiver und in Nachtschichten getestet,<br />

wochenlang im Rechnerraum übernachtet und nur stundenweise geschlafen, um die<br />

fehlerhaften Rechner rechtzeitig in einen auslieferungsfähigen Zustand zu bringen.)<br />

4. Man muß manches durchleben und durchleiden, um zu verstehen beginnen, auch wenn<br />

verstehen erst später folgen sollte.<br />

1372 Schon der Begriff „beschreiben“ ist sinnentstellend. Oswald Wiener muß immer wieder in diese<br />

geistige Materie eingetaucht sein und beim Auftauchen nicht mehr derselbe gewesen sein. Er<br />

flüstert, umschreibt, ironisiert, flucht und läßt den Leser, der sich auf seine Winkelzüge<br />

einzulassen wagt, an der authentischen Lebendigkeit und Vieldeutigkeit seines Ringens teilhaben.<br />

1373 IPS=Information Processing System<br />

1374 Wiener 1996, S. 156

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