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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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109<br />

Beim Phänomen des Opfers entfalten sich die inneren Widersprüche unserer<br />

Weltwirtschaftsordnung zur vollen „Schönheit“. Läßt man wissenden Auges<br />

den Nachbarn verhungern, obwohl dieser um Nahrung gebeten hat, wird das<br />

in Deutschland als »unterlassene Hilfeleistung« strafrechtlich verfolgt. 308<br />

Derselbe Vorgang wird im internationalen Rahmen als Flucht vor wirtschaftlichem<br />

Elend repressiv verfolgt und bekämpft. Dabei wird verdrängt,<br />

daß Wohlhabende an dem Entstehen von Elend anderswo nicht unerheblich<br />

beteiligt sind und daß regionale Flexibilität von Arbeitnehmern in Industrieländern<br />

bei weit weniger existentieller Not mit zunehmendem Druck<br />

eingefordert wird, während dieselbe Flexibilität angesichts existentieller<br />

Not als Wirtschaftsflüchtlingstum angeprangert und abgewehrt wird. 309<br />

3.5 Über Religion, Geld, Archetypen und Lebens-Perspektiven<br />

Das, was Gutmann auf das Opfer und seinen verlorenen religiösen Kontext<br />

bezieht, scheint mir für die spirituelle Essenz von Religiosität insgesamt zu<br />

gelten. Sie wird zerstörerisch, wenn sie instrumentalisiert, verdrängt und<br />

verstümmelt wird. Daß Religiosität im Zusammenhang mit des Umgangs<br />

mit Geld jedoch nicht von vornherein schlecht oder unangemessen sein<br />

muß, sondern auch ausgesprochen fruchtbar sein kann, zeigen die Monographien<br />

von Bernard Lietaer. Er bringt Geld, archetypische Psychologie in der<br />

Ausprägung von Ken Wilber sowie Geschichte und Hintergründe der<br />

schwarzen Madonnen und der durch sie symbolisierten Bedeutungen und<br />

religiösen Hintergründe zusammen und entwickelt Konzepte zu einer<br />

Weiterentwicklung der Geldsysteme in Richtung der Integration polarer<br />

Eigenschaften 310 .<br />

Um die Plage abzuwenden, muß der Schuldige gefunden und entsprechend behandelt oder, wie<br />

La Fontaine schreibt, mit der Gottheit «versöhnt» werden.« (Girard 1988, S. 10 f.) In Fabeln<br />

findet dieses seine Entsprechung. Wenn es darum geht, den Schuldigen für eine Krise zu finden,<br />

werden in der Fabel die Raubtiere als erste befragt. Diese beschreiben schnell und scheinheilig<br />

ihr Verhalten und werden entschuldigt. Der Esel als der Schwächste und am wenigsten<br />

Blutrünstige, der Verwundbarste wird zu guter Letzt als der Schuldige bestimmt und rituell<br />

geopfert. Girard konstatiert, daß auch heute »Verbalexorzismen« dann analoge Mechanismen<br />

auslösen, wenn Wissenschaft und Technik unübersehbar und unleugbar versagen. (Vgl. Girard<br />

1988, S. 12.) Wenn man genau hinschaut, können diese Mechanismen auch in organisatorischen<br />

Prozessen auf unterschiedlichen Ebenen beobachtet werden. Solche Mechanismen können sich<br />

bis zur Entfesselung von Massakern aufschaukeln (Vgl. Girard 1988, S. 16.).<br />

308 Nach § 323 c Strafgesetzbuch ist Nothilfe zwingend »sofort« und »bestmöglich« zu leisten.<br />

Unterlassung ist strafbar und mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bewehrt.<br />

Dem juristischen Fachkommentator scheint »das gesetzliche Strafmaximum angesichts der<br />

möglichen Fälle […] eher zu niedrig als zu hoch. « (Vgl. Jescheck et al. 1988, S. 397 ff., insbes.<br />

436, S. 469.)<br />

309 Zu Form und Inhalten dieses Absatzes hat mich ein Vortrag von Eugen Drewermann angeregt.<br />

310 Vgl. Lietaer 2000, S. 156 ff.; vgl. auch Lietaer 2003. Einführungen in „schwarze Madonnen“<br />

bieten Petra van Cronenburg 1999 und Brigitte Romankiewicz 2004.

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