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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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320<br />

Der Harvard-Biologe Wilson zieht eine aus neurowissenschaftlicher Sicht<br />

konsequente Schlußfolgerung. »Das endgültige Ziel des wissenschaftlichen<br />

Naturalismus wird erreicht sein, wenn es ihm gelingt, die traditionelle<br />

Religion, seinen Hauptkonkurrenten, als ein gänzlich materielles Phänomen<br />

zu erklären.« 789 Auf diesem Weg wird ohne Religion sehr wohl ein Glauben<br />

vertreten und als wissenschaftlich kaschierte Ersatzreligion hochgehalten –<br />

der Glaube an die Alleinexistenz der Materie. An der Basis der Neurowissenschaften<br />

stehen also, wenn sie als Bewußtseinsforschung monolithisch<br />

betrieben werden, nicht Erkenntnisse, sondern Dogmen. Nicht-Betrachtetes<br />

und Nicht-Modell-Konformes wird als nicht existent behandelt. Diese rigide<br />

Art der Dogmatik entspricht der Geschichte der christlichen Kirche, als die<br />

geozentrische Kosmologie mit teilweise grausamen Machtmitteln gegen<br />

wissenschaftlichen Fortschritt verteidigt werden sollte. 790 Dialog und<br />

Zusammenarbeit sind jedoch nicht nur zu Zeiten von Galilei, sondern noch<br />

viel mehr heute genauso befruchtend, wie Glaubenskriege und Alleinvertretungsansprüche<br />

aller Art destruktiv sind.<br />

Das neurowissenschaftliche Dogma ist gekennzeichnet durch gebetsmühlenhaftes<br />

und ungeprüftes Wiederholen von: Der Geist ist Materie, das<br />

Denken ist Materie, das Erkennen ist Materie. 791 Wer nur Materie sowie<br />

biochemische und bioelektrische Prozesse untersucht, wird nichts außerhalb<br />

des Untersuchten finden.<br />

9.3.1.2 Praktische Konsequenzen orthodoxer Neurowissenschaften<br />

Wenn richtig wäre, daß der Mensch materiell vorherbestimmt ist, wäre jede<br />

Art von Freiheit des Menschen unmöglich und Illusion. »Unser Wille kann<br />

nicht frei sein.« 792 Daraus folgt für Singer, daß die Prinzipien von Schuld<br />

und Sühne, auf denen moderne Rechtssysteme basieren, »verzichtbar« sind.<br />

Gegenüber »Übeltätern« würde man sagen können: »Dieser arme Mensch<br />

hat Pech gehabt. Er ist am Endpunkt der Normalverteilung angelangt.« 793<br />

Ich zum Beispiel könnte sagen: Was kann ich schon für die Zufälle der<br />

Evolution, die die Verschaltungen meines Hirns zufällig so gestaltet haben,<br />

daß ich entweder einen Mord begehe, unauffällig meinen Garten pflege, den<br />

Garten zum Ärger der Nachbarn auffällig verkommen lasse oder aber dieses<br />

789 Wilson zitiert nach Grolle 2003, S. 46.<br />

790 Zu Verteidigung des geozentrischen Weltbildes durch die Kirche und dessen Scheitern vgl.<br />

Gleiser 1998, S. 77 ff.<br />

791 Die Monographie, die im Titel diese Haltung am deutlichsten macht, ist «Die Seelenmaschine»<br />

(Vgl. Churchland [!!] 1997<br />

792 Singer in Grolle et al. 2003, S. 20

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