25.12.2013 Aufrufe

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

591<br />

Geißler wertet den technologisch sichtbar werdenden Massenzwang als<br />

Befreiung größten Ausmaßes. Er formuliert: »Der uhrwerkartige Mechanismus,<br />

charakterisiert durch Takt, Gleichmäßigkeit und Inhaltsleere, der unser<br />

Denken und Handeln […] über mehr als ein halbes Jahrtausend gefesselt<br />

hat, leidet an akutem Sinnverlust.« Er wähnt Abhilfe für den Sinnverlust im<br />

Generationenwechsel in Sicht. »Jungen Menschen gelingt es offenbar<br />

problemlos, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln per Knopf im Ohr mit ihrer<br />

Lieblingsmusik beschallen zu lassen, dabei eine SMS an Freunde und<br />

Freundinnen zu verschicken und gleichzeitig dem Kontrolleur den gültigen<br />

Fahrausweis vorzuzeigen«. So beschreibt und bewertet er in einem Satz ein<br />

Phänomen, das auch ich häufig beobachte. Er bewertet dieses Handeln<br />

idealisierend als »Daseinsoptimierung« durch gleichzeitige Mehrfachhandlungen<br />

wie Konsum von »Fingerfood« in Verbindung mit Zeitungslektüre<br />

und Programmzappen beim Fernsehen sowie Internetsurfen. Es befriedige<br />

»die Sehnsucht […], drei bis vier Leben in einem führen zu können.« 1397<br />

»Ob wir aber wollen oder nicht, wir sind zur Freiheit des Multitasking<br />

verdammt.« Das gelte ungeachtet der Aussage von Gehirnforschern, daß<br />

Multitasking für unser Gehirn nicht möglich ist, weil »im Zeitfenster und im<br />

Bewußtsein immer nur Raum für ein Thema ist.« »Der Simultant […]<br />

verlässt die bisher gültige Zeitordnung, indem er versucht, sich der<br />

Begrenztheit seines Lebens durch Vergleichzeitigung zu entziehen. Er ist<br />

ein Junkie der Versofortigung des Zukünftigen. Allein die Tatsache, dass<br />

das Leben trotz eingetretener Non-Stop-Gesellschaft auch weiterhin<br />

begrenzt ist, irritiert sein Paradiesprogramm.« »Der Simultant ist an- und<br />

abwesend zugleich.« »Begegnen konnte man dem sich heute epidemisch<br />

ausbreitetenden homo simultans bereits in der Literatur des beginnenden 20.<br />

Jahrhunderts«, wie in Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften». »Jetzt<br />

heiligen wir die Medien, die ihrerseits das „Immer“, das „Überall“ und das<br />

„Sofort“ anbeten«. »„Allzeit bereit“ heißt die Grundausstattung« des<br />

Simultanten. »Es ist Realität […]: Wir leben bereits im Absoluten, denn wir<br />

haben schon die ewige allgegenwärtige Geschwindigkeit geschaffen.« 1398<br />

Achtsamkeit braucht das Gegenteil.<br />

In Geißlers Text vermengen sich zutreffende Beschreibungen mit Bewertungen,<br />

die ich für irreführend und gefährlich halte. Diese Bewertungen sind<br />

jedoch nach meiner Beobachtung Teil von alltäglichen Phänomenen, die<br />

auch in Organisationen gehäuft auftreten. Das ist der Grund, warum ich<br />

mich dieses Themas hier annehme.<br />

1397 Vgl. Geißler 2002, S. 30 f.<br />

1398 Vgl. Geißler 2002, S. 31 ff.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!