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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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Anfangsphasen einander ähnlich sind: Geburt, Pubertät, Elternschaft,<br />

Aufstieg in eine „höhere“ Klasse, Tätigkeitsspezialisierung.« 1304<br />

Die ehedem vorhandene kulturelle Vielfalt 1305 und Lebendigkeit im<br />

Umgang mit Krise, Krankheit, Tod und Sterben, ist so zugunsten von<br />

Verarmung, Funktionalisierung, Entfremdung und Verdrängung im<br />

modernen Alltag fast vollständig zurückgedrängt worden. Zugleich<br />

verschwunden sind im Nebel des elektrischen Dauerlichtes die besonderen<br />

Qualitäten der Nacht. Anstelle eines transzendent-religiösen<br />

Ewigkeitsbezuges sind destruktiv-materialistische Allmachtsphantasien<br />

getreten, die sich naturgemäß zuerst in menschengemachten Organisationen<br />

ausdrücken. Die Trennung von Privat- und Berufsleben wird so als Illusion<br />

deutlich, hinter der sich innerlich einheitliche Strukturen mit äußerlich<br />

unterschiedlichen privaten und beruflichen Ausdrucksformen enthüllen.<br />

Der Umgang mit Sterben und Tod in unserer Gesellschaft ist denn auch<br />

genauso grotesk verarmt und degeneriert, wie das Sterben und das Umwandeln<br />

von Organisationen und von Organisationsteilen merkwürdig verdrängt<br />

werden. Damit wird insgesamt verdrängt, daß Krisen natürlicher Bestandteil<br />

jeder Existenzform von Leben und damit Teil jeder individuellen und<br />

organisatorischen Biographie sind. Das Aufkommen von Sterbehospizen<br />

zeigt jedoch zunehmendes Bewußtsein für die menschliche Verarmung, die<br />

in diesen Entwicklungen für alle entstanden ist. 1306 Mythen wie Phönix und<br />

1304 Vgl. van Gennep 1986, S. 15.<br />

1305 Eine umfassende Sammlung von kommentierten Texten zu Tod und Unsterblichkeit europäischer<br />

Denk- und Geistestraditionen findet man bei Ruprecht 1993. Die Pluralität dieses Werkes<br />

dokumentiert sich exemplarisch darin, daß die Absage an Tod und Unsterblichkeit Ludwig<br />

Feuerbachs und die Evolutionssichtweise Haeckels, die diejenige Darwins auf eine Spitze trieb,<br />

gleichberechtigt mit der Dichtung Hermann Hesses und der Anthroposophie Rudolf Steiners in<br />

einem Band vereinigt ist. (Vgl. Ruprecht 1993, Bd. 3.)<br />

1306 Aries schreibt mit Recht von einer buchstäblichen Verwilderung der Gebräuche des Abendlandes<br />

im Umgang mit dem Sterben und dem Tod. – Der Zusammenhang mit einer zunehmend<br />

psychisch und physisch alternden Gesellschaft ist frappant. Drei Punkte, an denen sich diese<br />

Tatsache für jeden unmittelbar manifestiert, der sich Tod und Sterben nur eine Stufe bewußter<br />

aussetzt, als üblich, sind (Vgl. Aries 1997, im zweiten Buch «Der verwilderte Tod» S. 381 ff., S.<br />

715 ff.):<br />

1. Sterben wird verheimlicht und isoliert.<br />

2. Sterbende werden „zu ihrem eigenen Wohl“ isoliert, belogen, entmündigt und betäubt und so<br />

der Fähigkeit eines bewußten Trennens und Sterbens chemisch beraubt. Oftmals prägt<br />

lähmende Angst auf Seiten von Sterbenden und von Bleibenden die Todesvorgänge. Wenn<br />

man sieht, wie sehr Sterben individuell gelebtem Leben entspricht, zeigt sich, wie sehr sich<br />

hinter all dem technisch-rationalem Allmachtswahn nackte Angst offenbart.<br />

3. Offen sichtbare und gelebte Trauer ist mit den zugehörigen Ritualen weitgehend abgeschafft<br />

worden. (Das Tragen von Trauerkleidung, das Abhalten von Totenwachen und das Einhalten<br />

von Trauerzeiten sind sinnvolle Trauer- und Übergangsrituale persönlichen Abschieds und<br />

Neubeginns)<br />

Wie soll man etwas sinnvoll und fruchtbar leben, was durch alle Altersgruppen hindurch<br />

abgeschoben wird. Psychisch, indem man lebt, als gebe es kein morgen, dann physisch durch<br />

chirurgische Maßnahmen und Kosmetik und schließlich durch nahezu vollständige Verbannung<br />

der Großelterngeneration in Altersghettos. Ist man in einem solchen verschwunden kann<br />

kollektive Verarmung erfahren werden durch die Existenz in einer Wartehalle auf den Tod.<br />

Spätestens dann sollen Psychopharmaka dafür sorgen, daß die Lebenden nicht gestört und<br />

verstört und die Sterbenden (des Lebens, des Sterbens und ihrer selbst) nicht bewußt werden und

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