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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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Dadurch schwingt im Hintergrund mit, daß im Sinne von Roberto Assagioli<br />

als Vollendung der Analyse die Synthese gefordert ist, wenn es um den<br />

Kern menschlicher Seele und menschlicher Geistigkeit geht. 902<br />

Wie tief die Psychoanalyse in unserer Kultur- und Geistesgeschichte<br />

verwurzelt ist, wird von Wehr so gezeigt: »Und wenn der Bergprediger<br />

Jesus rät, man solle erst den Balken aus dem eigenen Auge entfernen, ehe<br />

man den Splitter aus dem des Bruders entfernt (Matth. 7, 5), dann setzt dies<br />

eine gewisse Kenntnis von Projektions- und Verdrängungsmechanismen<br />

voraus, auch wenn darüber nicht weiter reflektiert oder theoretisiert wird.<br />

Der Vorgang als solcher erscheint evident.« 903 Dieser Hinweis kann durch<br />

eines der schwierigsten „Kapitel“ der Bergpredigt vertieft werden. Jesus<br />

Christus spricht zu den Anwesenden »Scharen«: »Ihr habt gehört, daß<br />

gesagt wurde: ´Du sollst deinen Nächsten lieben´ (Lev. 19/18) und deinen<br />

Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde [´tut Gutes denen, die<br />

euch hassen´] und betet für sie, die euch verfolgen, …« 904 Die meiste Zeit<br />

meines Lebens, war meine Haltung zu dieser Aussage davon geprägt, daß<br />

ich sie als Aufforderung zur Selbstaufgabe und willensschwachen<br />

Opferrolle verstand. Diese von mir mittlerweile abgelegte Deutung des<br />

Christus-Wortes wird verwandelt, wenn man sich darüber klar wird, daß die<br />

Nächsten, die im ersten Teil des Christuswortes sichtbar werden, diejenigen<br />

sind, die man liebt genauso wie diejenigen, die man haßt. Nichts tritt einem<br />

Menschen so nahe, wie gelebte Liebe und gelebter Haß – auf der<br />

lebensvollen und lebensspendenden Ebene einerseits und auf der<br />

verwundenden und angreifenden Ebene andererseits. Im Inneren eines<br />

Menschen findet sich dieser Zusammenhang wieder. Die Menschen und<br />

Dinge, mit denen man voll Begeisterung oder aber im Streit verbunden ist,<br />

Unbewußten wirft so einen Lichtschein auf die dunklen bzw. blinden Flecken der<br />

kulturprägenden geistigen Hauptströmungen. (Vgl. Wehr 1996.)<br />

Ellenberger verdeutlicht ebenfalls, daß die Psychoanalyse keine originär-neue Erscheinung ist.<br />

Sie erscheint vielmehr als zeitgemäße Umformung einer weit zurückreichenden Geistestradition,<br />

die sich auf zeitgemäße Art mit der Psychologie des Unbewußten befaßt. Dementsprechend<br />

begreift Ellenberger Freud und seine Zeitgenossen nicht vorrangig als Gründergestalten, sondern<br />

als Personen, die am umwandelnden und konzentrierenden Ende einer langen Entwicklung<br />

stehen. (Vgl. Ellenberger 1996.)<br />

Gerhard Wehr und Hartmut Kraft arbeiten auf je eigene Weise Zusammenhänge von Initiation<br />

und Psychoanalyse heraus. (Vgl. Wehr 1996, S. 24 ff.; S. 79 f.; Kraft 1995, S. 186 ff.)<br />

C.G. Jung schrieb 1960 in seinem einleitendem Kommentar zur deutschsprachigen Ausgabe des<br />

«Tibetanischen Totenbuch»: »Der einzig noch lebendige und praktisch verwendete<br />

«Initiationsprozeß» in der abendländischen Kultursphäre ist die von Ärzten verwendete «Analyse<br />

des Unbewußten».« (Jung in Evans-Wentz 1993, S. 46.)<br />

„Die“ Humanistische Psychologie ist ein weiterer moderner Zugang, der über einen simplen<br />

Materialismus eigener Art hinausweist. Sie stellt den Menschen als entwicklungsfähiges und<br />

selbstverantwortliches Wesen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. (Vgl. z.B. Assagioli 1993,<br />

Maslow 1996.)<br />

902 Vgl. Assagioli 1993.<br />

903 Wehr 1996, S. 18<br />

904 Matthäus Kapitel 5, Vers 43-44

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