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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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234<br />

befaßt, vor einem Dilemma steht.« 623 Die Abbildung von Realität in<br />

Zahlensystemen suggeriert jedoch durch die gebräuchliche inhaltliche<br />

Definition des Begriffs „Messung“ Exaktheit und Objektivität. Von einer<br />

solchen Qualität ist man jedoch bei einer Anwendung von Ratingskalen weit<br />

entfernt, da die Anwendung von Ratingskalen aus mannigfaltigen Gründen<br />

zu ungenauen und verzerrenden Abbildern führt, die darüber hinaus<br />

bestimmte Realitätsdimensionen (teilweise) ausblenden und durch Verbalisierung<br />

verflachen 624 . Auf der begrifflichen Ebene wird jedoch weder<br />

623 Stier, 1996, S. 68 ff.<br />

624 Folgende Gründe belegen ergänzend sowohl das Fehlen einer meßtheoretischen Fundierung als<br />

auch die praktisch vage Qualität von Ratingskalen:<br />

1. Die Ausblendung von Realitätsanteilen durch die Anwendung von Ratingskalen ist so<br />

gravierend, daß sie in einem eigenen Kapitel bearbeitet wird. (Vgl. Kap. 7.2, S. 259 ff.)<br />

2. Ordinalskalierte „Meßinstrumente“ sind regelmäßig nicht genügend sensitiv für kleine<br />

Unterschiede der realen Ordnung. (Vgl. Krantz et al., 1971, S. 2 ff.; zur Definition einer<br />

Ordinalskala vgl. Fußnote 604, S. 226.) Das allein führt schon dazu, daß eine meßtheoretisch<br />

zufriedenstellende ordinale Messung auf der Basis von Ratingskalen in typischen<br />

sozialwissenschaftlichen Anwendungsfällen auch ungeachtet fehlender meßtheoretischer<br />

Fundierung nicht möglich ist. Beispiele für diese Problematik sind die fehlende Exaktheit und<br />

die Widersprüchlichkeit von Leistungserfassungen mittels Notenstufen sowie von Versuchen<br />

der Intelligenzmessung.<br />

3. Diskrete Ratingskalen liefern aufgrund ihrer Grobeinteilung für verschiedene Werte der<br />

Realität gleiche Werte der numerischen Abbildung. Zur Definition einer diskreten Skala vgl. S.<br />

233, Fußnote 621.<br />

4. Ratingskalen vereinheitlichen und linearisieren stark unterschiedliche Realitäten bei den<br />

Merkmalsträgern (z.B. befragte Personen). Dieses geschieht durch die Methode, daß<br />

Ratingskalen mit einheitlichen Werteabständen und Wertebereichen in Zahlen abgebildet<br />

werden, z.B.: die Bewertungen von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ werden durch die Menge der<br />

Noten z={1,2,3,4,5} abgebildet. Das führt zur Unterdrückung von realen und zugleich<br />

subjektiven Ungleichheiten der beobachteten Realitäten, z.B.:<br />

a) Bei einzelnen Personen (Merkmalsträgern) können Werturteile wie „sehr gut“=1 und<br />

„mangelhaft“=5 in bezug auf unterschiedliche Objektarten unterschiedliche Abstände der<br />

subjektiven Wahrnehmung abbilden. Das bedeutet, daß der Abstand der Extrem-Noten mit<br />

dem Betrag von 4 (5-1=4) irrtümlich unterstellt, daß dieser dem wahrgenommenen<br />

Unterschied entspricht und daß dieser Abstand bei einer Person immer gleich ist. Die realen<br />

Werturteile liegen jedoch nicht immer gleich weit auseinander, auch wenn sie mit den<br />

gleichen verbalen Bewertungen belegt werden. Dafür gibt es unterschiedlichste Gründe, z.B.<br />

die unterschiedliche emotionale Betroffenheit der Person bei unterschiedlichen<br />

Gegenständen (Involvementkonzept des Marketing; vgl. Nieschlag et al 2002, S. 1012 ff.).<br />

Die subjektive Qualität der Bewertung eines mangelhaft genannten Autos wird daher in der<br />

Regel deutlich von der subjektiven Bewertung eines mangelhaft genannten Füllfederhalters<br />

abweichen. Je nach Kulturraum wird das Auto mehr oder weniger wichtig genommen.<br />

b) Bei unterschiedlichen Personen ist es die Regel, daß die subjektiven Bewertungsabstände<br />

zwischen Bewertungen deutliche Unterschiede aufweisen. In der Praxis werden gemäß a)<br />

und b) so unterschiedliche Abstände in ein einheitliches Zahlenschema gepreßt. Das in a)<br />

beschriebene Bewerten eines Auto und eines Füllfederhalters wird bei einem professionellen<br />

Autofahrer und einem Poeten vermutlich zu erheblichen Unterschieden in den Distanzen der<br />

Bewertungsstufen führen.<br />

c) Die Codierung der Ratings unterstellt unbewußt einen linearen Verlauf realer Werte der<br />

subjektiven Bewertungen (vgl. als Beispiel die Menge der Noten z in dieser Fußnote).<br />

Subjektivität ist realitätsnäher durch „Nichtlinearitäten“ und „sprungvariables Verhalten“ an<br />

Schwellenwerten abzubilden. Derartige Codierungen sind mir aber bisher nicht begegnet.<br />

Aus pragmatischer Sicht ist die praktizierte Form der Abbildung der Bewertungen<br />

nachvollziehbar: Ein passendes nichtlineares Modell dürfte schwieriger zu finden und zu<br />

handhaben sein als die üblichen linearen Modelle. Auch bei Verwendung eines nichtlinearen<br />

Modells bleibt jedoch der Vereinheitlichung und Unterdrückung des Individuellen durch<br />

formale Verfahren bestehen.<br />

d) Mit dem Erstellen eines Sets von Ratingskalen wird implizit unterstellt, daß alle<br />

Bewertenden ein einheitliches Schema von Bewertungskriterien haben, was unrealistisch ist.

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