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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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Hammer, dieser habe nur Ingenieurswissen umgesetzt und dabei die<br />

(erfolgs-)kritische menschliche Seite ungenügend berücksichtigt.<br />

Die so deutlich werdende Irrationalität reicht aber noch tiefer. Es wird<br />

gesagt, daß effiziente Ressourcenallokation durch die Verfolgung von<br />

individuellem Eigeninteresse das »Hauptmerkmal einer Marktwirtschaft«<br />

sei. »Aufgeklärtes Eigeninteresse schreibe vor, daß sich Eigentümer und<br />

andere Anspruchsgruppen partnerschaftlich an der Wert-Schaffung<br />

beteiligen.« 396 Damit gesteht Alfred Rappaport nur den Eigentümern ein<br />

berechtigtes Interesse an Unternehmen zu, das aber nur dann rational sein<br />

soll, wenn es gewinnmaximierend im engsten Sinn ist. Das Interesse von<br />

Eigentümern an Gewinn hat in diesen Überzeugungen praktisch die Macht,<br />

alle anderen Interessen als unberechtigt und irrational wegzudefinieren und<br />

auszublenden. Die daraus folgenden praktischen ethischen Folgen sind<br />

abstrus. Sie laden dazu ein, die Hände in nicht vorhandener Unschuld zu<br />

waschen. 397 Damit ist das Prinzip des Handelns, daß die unmittelbar (im<br />

eigenen Blickfeld gesehenen) negativen Konsequenzen des eigenen<br />

Handelnd dritten aufgebürdet werden, kurz: Das Prinzip ist Verantwor-<br />

396 Rappaport 1999, S. 9<br />

397 Mitchell schreibt dazu: »Das Hauptproblem« von am Shareholder Value orientierter<br />

Organisationspraxis besteht in ihrem Bestreben, den Aktienwert kurzfristig zu maximieren. Das<br />

ist die »zentrale Ursache« dafür, daß »die Handlungsfreiheit des Managemts so weit<br />

eingeschränkt [wird], daß sie bestenfalls unverantwortlich und schlimmstenfalls unmoralisch<br />

handeln müssen.« Sie könnten auch bei bestem Willen nicht anders. (Vgl. Mitchell 2002, S. 10,<br />

S. 12 ff.)<br />

Ich halte diese Bewertung in der Tendenz für zutreffend, gerade deswegen aber für<br />

ausgesprochen gefährlich, u.a. weil sie von einem Kritiker der Praxis des Shareholder Value<br />

kommt. Manager sind im System sicher einem erheblichen Handlungsdruck ausgesetzt und sie<br />

haben die Wahl, dem nachzugeben oder nicht. Jedoch zu meinen, sie müßten aufgrund schlechter<br />

Motive handeln, weil die »rechtliche Struktur der Unternehmen« dazu zwingt, heißt sich der<br />

Illusion ein weiteres Mal hinzugeben, daß niemand letztlich verantwortlich ist – zu allerletzt das<br />

„Führungs“personal. Mitchell reicht an diesem Punkt Managern Wasser und Handtuch zur<br />

Neuinszenierung biblischer Geschichte. Pilatus wußte jedoch vermutlich, was er tat, als er die<br />

Entscheidung über den Kreuzestod Jesu Christi der Menge überließ. »Er nahm Wasser, wusch<br />

seine Hände vor dem Volk und sprach: „Ich bin unschuldig am Blute dieses Gerechten. Seht ihr<br />

zu!“« Hier wie da führt jedoch nicht übernommene Verantwortung dazu, daß andere die zeitlich<br />

unmittelbar naheliegenden und sichtbaren Folgen des eigenen Handelns tragen müssen. (Vgl.<br />

Neues Testament, Matthäus Kapitel 27, Vers 11-25) Zahllose Tote tragen die Erfolgs-, Konsumund<br />

Müllberge der westlichen Gesellschaften und:<br />

Es gibt zahllose Menschen, die unter dauernden inneren Kämpfen fallweise über (Nicht-)Einsatz<br />

von Gesundheit, Leib und Leben entscheiden müssen, wenn sie struktureller Gewalt in<br />

diktatorischen Zwangssystemen widerstehen (wollen). In dieser Weise kann auch unter<br />

grausamen Umständen persönliche Integrität gewahrt und entwickelt werden. Durch die Haltung<br />

Mitchells wird persönliches Ringen solcher Menschen letztlich, ich vermute ungewollt, verhöhnt.<br />

Es ist daher nicht einzusehen, warum dann Manager bei banaler „Verlust“drohung von Anteilen<br />

des extremen materiellen Überflusses und Managerstatus dazu „gezwungen“ sein sollen, aus<br />

schlechten Motiven heraus zu handeln, wenn andererseits einzelne Menschen selbst im Angesicht<br />

von Folter und Tod persönliche Würde und Integrität bewahren können. Die Praxis läuft auf Top-<br />

Management-Ebene zudem oft genug darauf hinaus, daß der zeitweilige Verlust von Macht-<br />

Status mit immens hohen Abfindungen „materiell“ mehr als nur kompensiert wird. Spürbare<br />

materielle Verluste trägt meist nur der Teil des mit-entlassenen Personals, der seinen<br />

Arbeitsverlust viel weniger auf eigene Fehlleistungen zurückführen kann und muß, als<br />

Führungspersonal, weil es keine Führungspositionen bekleidet. Die Gier ließ vorher ohnehin<br />

schon die materielle Kluft zwischen „reich und mächtig“ und dem „reich und mächtig“<br />

versorgenden Rest extrem anwachsen. (Vgl. Mitchell 2002, S. 19.)

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