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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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2.5 Organisation und Leben I: Organisationsevolution, Evolutionäres<br />

Management und Grundideen von Charles Darwin<br />

73<br />

2.5.1 Konzeptionelles und Paradoxes<br />

Denken und Handlungsmuster in der Kontinuität von Charles Darwin finden<br />

ihre Fortsetzung in modernen Organisationen mit natürlichen Licht- und<br />

Schattenseiten und mit Blindheit. 206 . Die verbreiteten Bilder von Evolution<br />

und die Spielarten des sogenannten Darwinismus stehen dafür.<br />

Darwinsche Denkstrukturen – bzw. das, was man dafür hält – scheinen in<br />

Teilen unbewußte und unreflektierte Gewohnheit geworden zu sein.<br />

»Survival of the fittest« wird wohl genauso gewohnheitsmäßig wie falsch<br />

häufig mit „Überleben des Stärksten“ statt mit „Überleben des am besten<br />

Passenden“ gleichgesetzt 207 . Diese einseitige Interpretation der Überlegungen<br />

Darwins als Aggression ist eine Ursache für die altbekannten und<br />

„neumodischen“ Formen des Sozialdarwinismus 208 . Die vielfältigen Formen<br />

von Kooperation und Symbiose in der Natur werden im Weltbild des<br />

206 Durchaus pikant ist z.B. die Entwicklung der „Schulen“ verschiedener Wissenschaften, die sich<br />

mit dem Menschen befassen und sich zunehmend im tradierten Sinne naturwissenschaftlich<br />

geben. Horgan konstatierte schon 1995 in «Spektrum der Wissenschaften»: »Doch seit einiger<br />

Zeit grassiert die darwinistische Psychologie in den verschiedenen sozial- und<br />

humanwissenschaftlichen Disziplinen wie ein aggressives Virus, das sich mit immer neuen<br />

Mutanten einschleicht.« (Horgan 1995, S. 80 f.) So betrachtet verschaffen sich<br />

sozialdarwinistische Denker in einem leeren Zirkelschluß die wissenschaftlich-ideologische<br />

Legitimation für eigenes sozialdarwinistisches Verhalten. Das Denken prägt wie immer, so auch<br />

hier, das Handeln.<br />

207 An erster Stelle bedeutet „fit“ passend, geeignet bzw. tauglich sein. Fitness bedeutet<br />

dementsprechend nicht Stärke, sondern Eignung und Angemessenheit (vgl. Langenscheidt 1977,<br />

S. 448.).<br />

Die Natur der Natur selbst wie auch der Grundcharakter wirtschaftlicher Strukturen ist, daß stark<br />

und schwach, groß und klein in einem komplizierten Wirkungszusammenhang das Ganze<br />

ergeben. Unterschiedlichkeit in Qualität und Quantität ist Voraussetzung für Leben. Und: Das<br />

Stärkste läßt sich nur im Vergleich mit dem Schwächeren herausfinden, wenn man denn möchte.<br />

Für solche Vergleiche müssen alle leben.<br />

208 Die in den üblichen Interpretationen der Überlegungen Darwins sichtbar werdende Grundhaltung<br />

der einseitigen Bevorzugung von Stärke und Aggression ist eine alte Facette menschlicher<br />

Existenz, die schon sehr lange aus Interpretationen von Naturbeobachtungen abgeleitet wurde. In<br />

Platons Dialog «Gorgias» findet man qualitativ Vergleichbares als versuchsweise Abwehr<br />

moralischer Bedenken gegen die »Übervorteilung der Masse«: »Die Natur selbst aber, denke ich,<br />

gibt deutlich zu erkennen, daß es gerecht ist, wenn der Bessere gegen den Schlechteren und der<br />

Fähigere gegen den Unfähigeren im Vorteil ist. […] Laßt nur den rechten Mann erstehen, eine<br />

wirkliche Kraftnatur; der schüttelt all das ab, zerreißt die Fesseln und macht sich frei, tritt all<br />

unsere Paragraphen, unsere Zähmungs- und Besänftigungsmittel und den ganzen Schwall<br />

widernatürlicher Gesetze mit Füßen und steigt so vom Sklaven empor zum glänzenden Herrn<br />

über uns.« (Platon 1998, S. 91; 483 St.-484 St.)<br />

Baader stellt die Entwicklung des Sozialdarwinismus in Europa dar und zeigt wie von Haeckel,<br />

Darwin und weiteren formulierte Ideen zentrale Inspirationspunkte der Ideologiebildung liberalen<br />

Wirtschaftsbürgertums wurden. Die Gesellschaft wurde so aufgefaßt als eine, in der gerade der<br />

Konkurrenzkampf der Individuen den immerwährenden sittlich-zivilisatorischen Fortschritt<br />

verbürge. (Vgl. Baader 1980, S. 39 ff.)<br />

»Der populationsökologische Ansatz zum Beispiel läßt die Ideologie des Sozialdarwinismus<br />

wiederaufleben, die betont hat, daß das soziale Leben auf Naturgesetzen basiert und nur die am<br />

besten Angepaßten überleben.« (Morgan 1997, S. 106) Damit formuliert der Sozialdarwinismus<br />

immer auch die Forderung nach Konformität und Unterordnung der vielen Menschen unter<br />

wenige.

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