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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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360<br />

Auf die Nacht folgt der Tag. Immer. Auch wenn man die Jalousien<br />

runterläßt und nicht sieht, daß der Tag da ist.<br />

Vor diesen Hintergründen stellt sich „die“ Tiefenpsychologie als facettenreiche<br />

Disziplin dar, die altes Wissen aus unterschiedlichen Blickwinkeln in<br />

zeitgemäßer Form überdacht und bearbeitet in die Gegenwart hineinstellt.<br />

Die psychologische Weltsicht von Sigmund Freud umfaßt zunächst in der<br />

Hauptsache den individuell unbewußten Teil des Psychischen, der im<br />

wesentlichen aus der Vergangenheit des im Leib Gelebten durch Ableitung<br />

aus frühkindlich-sexuellen Prägungen heraus entwickelt wird und später<br />

auch das (Alltags-)Ich und die moralische Instanz des Über-Ich. 909 Eine tief<br />

in der menschlichen Geistes- und Moralentwicklung verwurzelte Dimensionen<br />

der Zukunftsorientierung menschlicher Existenz findet sich bei Viktor<br />

Frankl unter Abkehr von den Einseitigkeiten einer vorwiegend triebgeprägten<br />

Analyse als „Wille zum Sinn“. Seine Gedanken richten sich darauf »die<br />

geistig-seelische Reifung als eine Weise der Selbsttranszendierung zu<br />

begreifen und als Arzt fördernd zu begleiten.« 910 . Das individuelle Unbewußte<br />

erscheint in den Begriffen von Animus und Anima sowie Ich,<br />

Persona und Schatten sowie das überpersönlich-kollektiv Unbewußte als<br />

909 Vgl. Freud 1978 sowie einführend Wehr 1996, S. 39 ff.<br />

Ich teile die Kritik von Gerhard Wehr an den Einseitigkeiten einer triebfixierten Sicht auf den<br />

Menschen. Diese Einseitigkeit scheint jedoch merkwürdige „Tages-“aktualität zu haben. Eine<br />

Schwäche der Psychoanalyse Freudscher Prägung ist meines Erachtens in ihrer<br />

Übersexualisierung zu sehen, z.B.: »keine soziale Bindung ohne libidinöse Komponente« (Forster<br />

1991, S. 11; eigene Hervorhebung durch Kursivschrift) An dem so markierten Punkt der<br />

Dominanz des Sexuellen und am patriarchalischen Duktus des Altmeisters Sigmund Freud<br />

scheinen sich verschiedene Abspaltungsprozesse entzündet zu haben. (Vgl. Wehr 1996, S. 44 ff.,<br />

S. 74 ff.; S. 114 ff.) Es darf hier nicht verschwiegen werden, daß Libido im Anschluß an Adler<br />

und C.G. Jung auch als psychische Energie verstanden werden kann, wenn man Freud an diesem<br />

Punkt nicht folgt. Libido ist dann nicht immer sexuell gefärbt und aufgeladen. (Vgl. Wehr 1996,<br />

S. 78 ff.; S. 130 ff.) Wenn Forster „Libido“ diese Bedeutung zuweist, teile ich seine Auffassung.<br />

Die (zwanghafte?) Fixierung auf die sexuellen Trieb des Menschen seitens orthodoxer Freudscher<br />

Psychoanalyse korrespondiert jedoch in genauso merkwürdiger wie sinnvoller Weise mit<br />

aktuellen kulturellen Entwicklungen. Diese scheinen vordergründig zu bestätigen, was Freud<br />

vorgedacht hat. Die moderne Medien- und Konsumwelt mutet für mich übersexualisiert an. Man<br />

kann von dem aus, was sich im öffentlichen Kulturleben in den Vordergrund drängt, zu dem<br />

Fehlschluß kommen, der Mensch habe „nur das eine im Kopf“. Daß der Mensch sich in Massen<br />

verleiten läßt (oder daß Teile der Medien so propagieren, es wäre so), von seinem Triebleben<br />

„gesteuert“ zu werden, heißt jedoch nicht, daß das immer so ist, so sein muß oder so sein sollte.<br />

Manche Massenphänomene markieren durch das Abgleiten in Einseitigkeiten nicht<br />

Wünschenswertes, sondern ein grundsätzliches Ungleichgewicht und so eine kulturelle Krise oder<br />

einen kulturellen Zerfall.<br />

Die Dimensionen des Kollektiven und des Lebensspannen überdauernden Wirkens von<br />

Haltungen und Handlungen waren Freud wie vieles hier Ungesagte gleichwohl nicht fremd. »Wir<br />

lassen vor allem das Schuldbewußtsein […] über viele Jahrtausende fortleben, und […] wirksam<br />

bleiben […].« (Freud 1968, S. 189) Was von dem ihm Geläufigen in sein systematisches Wirken<br />

im Einzelnen einfloß und was nicht, ist vermutlich genauso aufschlußreich wie mir nicht geläufig.<br />

910 Die Suche nach dem Sinn prägte fast die gesamte bekannte Menschheitsgeschichte mit der<br />

Unterbrechung durch den Versuch der Zurückdrängung dieser Suche durch Technik und<br />

Naturwissenschaften.<br />

Das als ältestes Epos der Menschheit geltende Gilgamesch-Epos handelt von der oft durch<br />

Einsamkeit und Leid führenden Suche des Menschen nach dem Sinn. (Vgl. Schweizer 1997.) Der

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