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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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2. Die verbreiteten Methoden der Entscheidungsstützung bzw. automatisierten<br />

Entscheidungsfindung im Börsenwesen bilden die technische<br />

Grundlage der Entwicklungen der Aktienkurse. Sie haben als gemeinsame<br />

Basis die Annahme, daß es rational sei, mit Aktien nach dem<br />

alleinigen Kriterium „individuelle Gewinnmaximierung“ kaufend und<br />

verkaufend zu handeln. Eine Konsequenz dieses Systems scheint es zu<br />

sein, daß das Verhalten der am Handel beteiligten Gruppen in der Weise<br />

technisch verstärkt wird, daß Kauf- und Verkaufsentscheidungen unbewußt<br />

gleichgerichtet gelenkt werden und irrationales „Herdenverhalten“<br />

der Beteiligten entsteht. Unter Verletzung der Rationalitätsannahme<br />

werden in qualitativ ähnlichen Modellen und deren Anwendung Phasen<br />

der Depression und der Euphorie auf scheinbar objektiver technischer<br />

Basis angestoßen. Das heißt, daß programmierte Modelle der Habgier<br />

in destruktive Haltungen und Verhaltensweisen wie Haß, Zerstörungswut, Inkaufnahme der<br />

eigenen Zerstörung und Rache abgeglitten sei. Die ökonomische Basissituation der Simulation,<br />

die kooperativ zu einem gemeinsamen Gewinn hätte geführt werden können, war in simulierter<br />

absoluter Zerstörung beider beteiligter Gruppen geendet. Die real erlebte psychische Erschöpfung<br />

der Teilnehmer und die Vergiftung der Atmosphäre war trotz der Schonsituation einer<br />

„Simulation“ so erheblich, daß alle Beteiligten nur noch das Bedürfnis zu haben schienen, den<br />

Ort und die Personen des Geschehens zu verlassen, um je nach Persönlichkeit an die frische Luft<br />

zu kommen, zu meditieren, zu rauchen, schlafen zu gehen, den Kopf zu lüften, Sport zu treiben,<br />

spazierenzugehen usw. Am nächsten Tag konnte man sich wieder „in die Augen sehen“ – es war<br />

ja „nur“ ein „Spiel“ – das doch in einer für mich vorher nicht für möglich gehaltenen Intensität<br />

Ernst geworden war.<br />

Erst mit erheblichen zeitlichen Abstand dachte ich über die positiven Möglichkeiten einer solchen<br />

Simulation nach und kam zu folgenden Überlegungen: Die positiven Möglichkeiten könnten<br />

darin liegen, daß auch Menschen mit durch und durch rationalem Anspruch schnell und intensiv<br />

ihre Schattenseiten erfahren können und so durch die Konfrontation mit ihren dunklen Seiten<br />

hindurch lernen, daß das Menschliche mehr ist als nur Ratio. Damit können solche Rollenspiele –<br />

begleitete – „Einweihungserlebnisse“ in das Wesen des Menschen durch seinen Schatten<br />

hindurch anstoßen. Wie man jedoch die Verantwortung dafür übernehmen soll und kann, daß<br />

solche Prozesse durch das Dunkel hindurch nicht wie auch immer im Dunkel stecken bleiben –<br />

und wenn es auch nur um eine intensivierte, weil verständlicher- und schädlicherweise angstvoll<br />

festgehaltene Rationalität geht – steht auf einem anderen Blatt. Das ist einer der Gründe für<br />

meine eben formulierte Haltung der Unterlassung. Pullig zog für sich vergleichbare<br />

Konsequenzen und formulierte diese im Teilnehmerkreis und im wertenden Teil seiner<br />

veröffentlichten Ausführungen zum Einsatz des Prisoners-Dilemma-Spiels als<br />

Konfliktsimulation. »Darf man pädagogische Maßnahmen wählen, die den niederen Teil unserer<br />

Persönlichkeit aktivieren? […] Schaffe ich mit solchen Realitäten gerade das, was ich ja<br />

bekämpfen will? Müssen wir nicht nach Übungen, Trainingsformen suchen, die uns Gelegenheit<br />

geben, konstruktives Konfliktverhalten zu üben?« (Pullig 1998, S. 50 f.) Für mich bleibt darüber<br />

hinaus die bisher nicht näher berührte Frage offen, was in der Simulation geschieht und welche<br />

Einsichten und Erfahrungen sich daraus ergeben, wenn eine oder mehrere Personen in der<br />

Simulation stark genug sind und wirken, so daß eine oder beide Gruppen der Versuchung<br />

widersteht, egozentrisch-konfrontrativ zu „spielen“. Man muß sich bei dem Stellen einer solchen<br />

Frage darüber im klaren sein, daß solche Konstellationen hinsichtlich des Auftretens eines<br />

bestimmten Verhaltens nur eingeschränkt simulierbar sind. Die Wirkung des Widerstehens gegen<br />

die Kräfte des Konfliktes auf die anderen Teilnehmer ist nicht im voraus planbar.<br />

Zur Bewertungsmöglichkeit der obigen Beschreibung gehört folgender Hintergrund: Ich habe<br />

mich in der Beschreibung der obigen Vorgänge in der Simulation eng an die Beschreibung von<br />

Konfliktprozessen von Friedrich Glasl angelehnt. Insbesondere ist zu beachten, daß in<br />

Konfliktverläufen das Denken, Fühlen und Wollen und schon die Wahrnehmung aller unmittelbar<br />

und mittelbar Beteiligten permanent Korrumpierungen und Verzerrungen ausgesetzt ist. (Vgl.<br />

Glasl 1997, S. 433.) Die obige Beschreibung resultiert aus einer Situation, die für mich in dieser<br />

Hinsicht intensiv erlebbar war, da ich Teilnehmer und damit Teil einer „simulierten“<br />

Konfliktpartei war.

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