25.12.2013 Aufrufe

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

583<br />

wird. 1383 Sammelsurien von oberflächlich Zusammengestückeltem werden<br />

produziert, transportiert und akzeptiert, wenn man dieser Suggestivkraft<br />

erliegt.<br />

Joseph Weizenbaum 1384 beklagt damit einhergehende Verkümmerungen<br />

menschlicher Kompetenzen. Selbst Studenten können häufig nicht einmal<br />

mehr vollständige Sätze formulieren. Die Kulturtechnik Sprache sei in<br />

Gefahr, indem die Sprache zur Zusammenhanglosigkeit tendiert. Infos aus<br />

dem Internet herunterzuladen sei dagegen kein Problem. »Die Leute hören<br />

nicht richtig hin und schreiben es falsch auf. Das macht aber nichts, die<br />

anderen lesen ohnehin nicht richtig.« 1385<br />

Damit deutet Weizenbaum eine Facette der Gefahren der Computertechnik<br />

an. Ein Grund dafür ist mangelndes Bewußtsein dafür, daß jede Technik als<br />

Werkzeug zu begreifen ist, mit dem man sinnvolle Aufgaben erledigen kann<br />

und das Möglichkeiten eröffnet, die man nicht realisieren sollte. Die<br />

Gefahren, die sich hier auftun, sind beschrieben durch Abnahme von<br />

Wahrnehmungsfähigkeit und Sprachkompetenz, Denkverlust, Desintegra-<br />

1383 Sean Maloney, Vizepräsident des Chipherstellers Intel, vertrat 1999 die Auffassung, daß<br />

jedermann das Weltwissen auf Tastendruck im Internet zur Verfügung stehe. (Vgl. Müller von<br />

Blumencron et al. 1999b, S. 89.) Er liegt damit in mindestens dreierlei Hinsicht falsch – hofft<br />

aber vermutlich ungeachtet der Tatsache, ob er glaubt, was er sagte, auf die verkaufsfördernde<br />

Wirkung seiner Falschaussage.<br />

1. Das Internet erreicht nicht alle Menschen, sondern nur die eingeschränkte Zahl von Menschen,<br />

die hinreichend Zugang zur Computertechnik haben – weltweit dürfte das auf absehbare Zeit<br />

eine Minderheit von Personen sein. Darüber hinaus hat eine erhebliche Zahl von Nutzern<br />

Probleme bei der effizienten Suche, Interpretation und Bewertung der dargebotenen<br />

Informationsflut. Im Grunde wird durch Haltungen, wie sie Maloney propagiert, ein wichtiger<br />

Teil der menschlichen Weltöffentlichkeit aus dem Bewußtsein der sogenannten „entwickelten“<br />

Welt wegdefiniert – mit absehbaren Folgen.<br />

2. „Verfügbarkeit“ suggeriert, daß Informationsaufnahme und Informationsverwendung in<br />

völliger Freiheit und Fülle für jedermann gleichwertig zugänglich und nutzbar sind. Das ist aus<br />

mehreren Gründen falsch:<br />

a) Es gibt zunehmend kontrollierte und eingeschränkt zugängliche Bereiche im Internet, die nur<br />

beschränkten Zirkeln von Nutzern zugänglich sind. Im Fall von kommerziellen Angeboten<br />

sind die „Exclusivnutzer“ Kreditkarten- und Geldbesitzer – die dafür oft banale Massenware<br />

zum Zeittotschlagen vorfinden – und diese mit »Bananensoftware« (Produkt reift beim<br />

Kunden, in unterschiedlichen Computermagazinen mehrfach verwendete Aussage über die<br />

Produktqualität eines bestimmten weltbekannten Software-Hauses) bestellen oder<br />

herunterladen.<br />

b) Einige Angebote sind für Eigentümer von Nutzungsrechten und Nutzern der „falschen“<br />

Software nur eingeschränkt oder gar nicht zugreifbar. Das erhöht den sozialen Druck,<br />

Monopoltendenzen durch Anpassung zu unterstützen und immer schneller neue Soft- und<br />

Hardware anzuschaffen, was ebenfalls nur bei hinreichender Geldverfügbarkeit möglich ist.<br />

Man kann das auch subtile Wegelagerei mit psychischem Zwang nennen, die sich im<br />

Nachgeben des Kunden durch Abgabe von Geld an den Nahezu-Monopolisten selbst<br />

verstärkt.<br />

c) Die Möglichkeit der Anwendung der „Verfügungsmasse Weltwissen“ wäre auch dann von<br />

der persönlichen und fachlichen Entwicklung der Nutzer abhängig, wenn „Wissen“<br />

Verfügungsmasse wäre.<br />

3. Erfahrungshorizonte wie spirituelle Erfahrungen und Weisheit machen den Kern des<br />

Menschenmöglichen aus. Sie zählen zum Weltwissen und sind in DV-Systemen nur<br />

eingeschränkt und oberflächlich darstellbar.<br />

1384 Joseph Weizenbaum ist emeritierter Professor for Computer Sciences des MIT (Massachusetts<br />

Institute of Technology), USA, und einer der Väter des Internet.<br />

1385 Weizenbaum in: Borchers 1998, S. 426

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!