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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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183<br />

Menschliche Kommunikation und menschliches Handeln fallen in eskalierenden<br />

Konflikten zunehmend tiefer in archaische Verhaltensweisen zurück,<br />

die im Extremfall ein Verfallen in »tierisches Begierden- und Triebleben«<br />

bewirken, »das nicht mit menschlichen Sittlichkeitsvorstellungen zu<br />

beurteilen ist.« 506 Damit korrespondiert die Aktualisierung von diffizil<br />

wirkenden Angst-Aggressions-Mustern 507 , die Menschen zunehmend<br />

gefangen nehmen können. Diese Muster wirken in die Dimensionen<br />

Denken, Fühlen, Wollen und Verhalten hinein und finden dort ihren<br />

Ausdruck. Projektionen des eigenen Schattens in den „passenden“ Mitmenschen,<br />

Verhärtungen und Vereinfachungen des Denkens und Verlust der<br />

Wahrnehmungsfähigkeit treten, wenn man Konfliktmustern erliegt,<br />

zwangsläufig ein. Daraus folgen Phänomene wie Desinformation und<br />

Schädigung aller Beteiligten, Deformationen des Handelns und das<br />

Zurückwirken dieser außengerichteten Qualitäten auf die eigene Person und<br />

Organisation. Die Auswirkungen und Ausprägungen dieser Veränderungen<br />

werden umso gravierender, je tiefer man in konflikthafte psychische<br />

Prozesse und Verhaltensmuster abgleitet. Am Ende stehen unter anderem<br />

holzschnittartiges Denken unter hohem Gruppendruck und Freund-Feind-<br />

Schemata, die bis hinein in die wechselseitige Entmenschlichung der<br />

506 Vgl. Glasl 1997, S. 42. Mit dieser Bemerkung demaskiert Glasl die Bösartigkeit und Gefahren<br />

des Verfallens an die Verlockungen der Kräfte, die Ernst Jünger idealisiert und heroisiert hatte:<br />

Den Rausch des Krieges und den Konsum-Rausch der (Un-)Taten in den Kampfpausen.<br />

Pazifismus hat für Ernst Jünger die zwei Formen des Idealismus und der Blutscheu und erwächst<br />

damit aus Mut oder Feigheit. Wer den Krieg als Vater aller Dinge leugne, sei dem Untergang<br />

geweiht. (Vgl. Jünger 1929, insbes. S. 36 ff.) Die Drohung mit Untergang wird im Wirtschafts-<br />

„krieg“ genauso eingesetzt, wie die Verlockungen der Hemmungslosigkeit größer werden.<br />

507 »Das Wortfeld „Angst“ ist nach dem alten Testament besetzt von Wörtern, die den Zustand der<br />

Enge zum Ausdruck bringen, und deckt sich so weitgehend mit dem Wortfeld, das die<br />

indogermanischen Sprachen und eben das Deutsche dafür geschaffen haben. ar li, „mir ist eng,<br />

bang, angst“ ist eine weitverbreitete und wahrscheinlich umgangssprachliche Redewendung. Man<br />

wird sagen können, daß sich darin eine menschliche Grunderfahrung ausdrückt, des Beengtseins,<br />

Eingeschnürtseins, Bedrücktseins, In-Bedrängnis-Seins.« (Seybold 1997, S. 59) Die Reaktion in<br />

Form von Aggression kann wiederum mindestens zwei Formen annehmen, die vermutlich selten<br />

in Reinform auftreten: Die Aggression nach außen und damit die alltäglich als Aggression<br />

bezeichnete Form und die gegen sich selbst gerichteten Varianten von Aggression, wie sie in der<br />

Depression auftritt.<br />

Zimbardo bezeichnet Aggression als absichtsvoll zerstörerisches verbales oder physisches<br />

Handeln und Gewalt als »Aggression in ihrer extremen und sozial nicht akzeptablen Form«. (Vgl.<br />

Zimbardo 1995, S. 425.) Glasl beschreibt in Abweichung zu Zimbardo, daß Handeln in<br />

Konflikten wesentlich auch durch unbeabsichtigte destruktive Wirkungen gekennzeichnet ist.<br />

(Vgl. Glasl 1997, S. 45 f.) Diese Sicht scheint mir genauso realistisch, wie die Beschränkung von<br />

Aggression und deren Wirkungen auf »Absicht« gefährlich daneben liegt – schon wegen<br />

Erfahrungen mit eigener Aggression. Umgangssprachlich ist diese Tatsache in dem Ausspruch<br />

erfaßt, daß jemand bemerkt, daß „mit ihr/ihm die Gäule durchgegangen sind.“ Je massiver sich<br />

Aggression in Konflikten manifestiert, umso mehr werden wohl im Sinne der Beschreibungen<br />

von Friedrich Glasl unkontrollierte und unbeabsichtigte „Nebenwirkungen“ wichtiger, als<br />

beabsichtigte Handlungen und Wirkungen.<br />

Die Aggressionsdefinition von Zimbardo birgt zudem die Gefahr, konflikteskalierend zu wirken.<br />

Wenn Erfahrungen von persönlichen Verletzungen vorschnell einseitig als „Absicht“ gedeutet<br />

werden, wird die Gefahr größer, zum „Gegenschlag“ auszuholen und so eine Abwärtsspirale der<br />

Gewalt in Gang zu bringen (Vgl. Glasl 1997, S. 45 f.).

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