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BEWUßTSEINS- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

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Liebe und Freundschaft, kurz alles, was schön und gut ist, wird zu einer<br />

vernachlässigenswerten Illusion erklärt.« 693 Die Denkgewohnheiten, die<br />

»der Mehrzahl der heute lebenden Menschen durch ihren Umgang mit der<br />

anorganischen Natur andressiert worden sind, stiften schweren Schaden,<br />

wenn sie mit überheblicher Selbstsicherheit auf die Belange lebendiger<br />

Systeme angewendet werden.« Die Wirkungen einer solchen Vorgehensweise<br />

sind um so problematischer, je komplexer und höherentwickelt Leben<br />

ist, das so »vergewaltigt« wird. 694<br />

Die Schärfe der Bemerkungen von Konrad Lorenz weist direkt in den<br />

Schatten einseitiger Betonung des Quantitativ-Rationalen. Quantitativ-<br />

Rationales ist wie jedes Werkzeug als solches jedoch abstrakt nur eingeschränkt<br />

zu bewerten. Die Bewertungen von Lorenz sind daher nur im<br />

Zusammenhang mit Anwendungen zu verstehen, die einen verfälschenden<br />

Übergriff auf Lebendes und daraus resultierendes Schadenspotential<br />

beinhalten. In diesem Punkt liegt zugleich der Schlüssel zum konstruktiven<br />

Wandel des Umgangs mit dem Quantitativ-Rationalen, denn im Schatten<br />

der von Lorenz drastisch herausgearbeiteten Überheblichkeit sind nicht<br />

selten Unsicherheit und Ängste verborgen. Einseitige Fakten- und<br />

Zahlengläubigkeit können also auch als Ritual und Maske von Angstabwehr<br />

gedeutet werden, was das Gegenteil von Überheblichkeit ist 695 . Weil<br />

693 Lorenz 1981, S. 10. »Die gegenwärtige Weltordnung kommt den Intentionen, die man gemeinhin<br />

dem Teufel zuschreibt, verdammt nahe.« (Lorenz 1981, S. 17) Wenn man das liest, kann Konrad<br />

Lorenz nicht mehr als Darwinist im gängigen Sinn gesehen werden.<br />

Vgl. auch Fischer 2000, S. 87 ff.<br />

694 Vgl. Lorenz 1978b, S. 149.<br />

695 Mir ist bisher nur ein Werk bekannt, das sich mit dem Thema Angst im Zusammenhang mit<br />

Rationalität und Modellierung auseinandersetzt: Georges Devereux, «Angst und Methode in den<br />

Verhaltenswissenschaften», 1967. Devereux ist Psychoanalytiker und Ethnologe in der Tradition<br />

Sigmund Freuds. Insofern ist klar, daß er ein anderes Weltbild hat als ich, was sein Werk nicht<br />

weniger beachtenswert macht. Der von meinem Weltbild abweichende Teil äußert sich bei<br />

Devereux u.a. darin, daß er Religion und Religiosität einseitig als »letzte und primitivste<br />

Zuflucht« vor der Bedeutungslosigkeit und »Stummheit« der Materie und der oft grausamen<br />

Realität wertet. (Vgl. Devereux 1967, S. 55 f.)<br />

Diese einseitig negative Bewertung der Religion durch Devereux wurzelt vermutlich in dem<br />

Menschenbild von Devereux, daß die Religion Produkt eines elementaren menschlichen<br />

Verhaltensmusters sei, nämlich einer angstbesetzten Abwehrreaktion in Gestalt einer<br />

Gegenübertragung. (Vgl. Devereux 1967, S. 55 ff.) Wenn ich das Werk von Freud angemessen<br />

deute, vertritt Devereux so einen klassischen „Freudianischen“ Standpunkt. Er übersieht daher,<br />

daß die menschliche Haltung „Ablehnung transzendenter Realitäten und Deutung der Religion als<br />

angstbesetzte Abwehrreaktion“ selbst als eine angstbesetzte Abwehrreaktion in Form einer<br />

Gegenübertragung eingeordnet werden kann. Diese kann persönliche Ängste gegenüber<br />

transzendenten Realitäten, die nicht wahrgenommen werden und mit denen nicht gelassen<br />

umgegangen werden kann, verallgemeinernd in die Religion und religiöse Menschen projizieren.<br />

Für Devereux ist Materie also vermutlich genauso stumm und sinnlos, wie ein tauber Mensch<br />

Sprache und Musik mit den Ohren nicht hören kann – trotzdem ist die Welt von Sprache und<br />

Musik real. Diese Realität existiert unabhängig davon, ob der Taube sie als real akzeptiert oder<br />

nicht. Meine Vermutung der angstbesetzten Gegenübertragung in der Haltung von Devereux<br />

wurzelt nicht in dessen Feststellung des Vorhandenseins von angstbesetzten Gegenübertragungen<br />

in religiösen Zusammenhängen. Solche spielen im Umgang miteinander im Allgemeinen und im<br />

Besonderen in religiösen Zusammenhängen vermutlich eine zentrale Rolle. Religiös kaschierte,<br />

motivierte und/oder gerechtfertigte Grausamkeiten legen in einer langen Historie beredtes

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