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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Herren, deren Gespräche sie anödeten, umso mehr als klar war,<br />

dass von ihrer Seite keine Einmischung in die Unterhaltung gewünscht<br />

wurde. Ihre Rolle bestand darin, höflich zu nicken und zu<br />

lächeln, während die Herren sich über Politik, Religion und Jagd<br />

die Köpfe heißredeten. Sie hielt dies eine ganze Zeitlang durch, sogar<br />

als der Baroun de Sourd sich über die Protestanten ausließ, die<br />

zweifelsohne der Untergang <strong>des</strong> christlichen Abendlan<strong>des</strong> waren,<br />

schwieg sie sittsam. Doch als die Herren dann auf ihre dürftigen<br />

Kriegserlebnisse zu sprechen kamen und sich lang und breit über<br />

die Notwendigkeit <strong>des</strong> Ausgießens von Schussverletzungen mit<br />

siedendem Öl ausließen, da war das Maß schlichtweg voll. Cristino<br />

hielt einen Vortrag über die moderne chirurgische Wundversorgung,<br />

der Ambroise Paré in pure Entzückung versetzt hätte, legte<br />

eindeutig dar, dass Schusswunden per se nicht vergiftet seien und<br />

ihr Auskochen somit unnötig, ja sogar schädlich sei, und ergänzte<br />

diese Ausführungen durch eine detaillierte Beschreibung der erforderlichen<br />

Maßnahmen zur Blutstillung. Der Erfolg waren entgeisterte<br />

bis entrüstete Blicke von Seiten der Herren – mit Ausnahme<br />

<strong>des</strong> Baroun de Sourd, der fluchtartig den Raum verließ und sich am<br />

nächstbesten Fenster seines Mittagessens entledigte. Der Cavalié<br />

de Siest schien als Einziger nicht verärgert über ihr unziemliches<br />

Verhalten zu sein; er lachte schallend und sagte: «Kindchen, Kindchen,<br />

wer hat Euch denn diesen Unsinn in Euer hübsches Köpfchen<br />

gesetzt?»<br />

Cristino antwortete nicht. Sie wandte sich ab und floh aus dem<br />

Raum, damit niemand sah, dass ihr die Tränen in die Augen<br />

schossen.<br />

Victor war der einzige Lichtblick an diesem Tag. Er fand Cristino<br />

schniefend auf der Treppe und drückte ihr zum Trost ein Cremetörtchen<br />

in die Hand. «Mach dir keine Gedanken wegen diesem<br />

verknöcherten Cavalié de Siest», sagte er. «Ich werde dir eine Mitgift<br />

besorgen, dass dir die Männer zu Füßen liegen würden, wenn<br />

du eine Hasenscharte und abstehende Ohren hättest!»<br />

«Wie willst du das denn machen?», murmelte Cristino. «Solange<br />

dein Vater noch lebt, besitzt du dochgar nichts.»<br />

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