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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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höchst zufriedenes Grinsen auf ihren karmesinroten Lippen, und<br />

Musikanten spielten zum Tanz auf, eine Gaillarde, eine Gaillarde,<br />

jauchzte Catarino und schleifte den armen Jean de Mergoult auf<br />

die Tanzfläche, und Cristino ließ sich nur zu bereitwillig von Sébastien<br />

ebenfalls entführen. Wo war eigentlich Alexandre de Mergoult?<br />

Er war ihr doch nicht am Ende böse? Als ob sie etwas dafür<br />

konnte! Und Couvencour? Nun, ihretwegen konnte er bleiben, wo<br />

der Pfeffer wächst!<br />

Sie war schon fast so weit, daran zu glauben, dass ihre Erlebnisse<br />

in den Gängen <strong>des</strong> Bauwerks wirklich nur das Resultat ihrer überschießenden<br />

Einbildungskraft waren, für die man sie ja schon <strong>des</strong><br />

Öfteren getadelt hatte, als etwasgeschah, was schrecklicher war als<br />

alles, was dieser Tag bisher für sie bereitgehalten hatte. Victor hatte<br />

sie zum Tanz aufgefordert, und da er nur ein mäßiger Tänzer war,<br />

konnten sie nicht mit den anderen Tänzern mithalten und rempelten<br />

schließlich gegen die Wand. «Entschuldigung», krächzte er verlegen,<br />

«ich habe schon eine Weile nicht mehrgetanzt, wisst Ihr…»<br />

Sie lächelte versöhnlich. «Oh, das macht doch nic hts, es ist ja<br />

schließlich auch schwer, bei der Enge und all den Leu…» Sie brach<br />

ab.<br />

Der Raum war zum Kreisel geworden, wie ihn die <strong>Kinder</strong> auf<br />

dem Marktplatz antrieben. Cristino hob die Hände und berührte<br />

damit ihr erhitztes Gesicht, und stumm wurde das Gelächter,<br />

schwarz das kreiselnde Farbenspiel. Nichts existierte mehr auf dieser<br />

Weltalsdas Bild vor ihr an der Wand.<br />

Es zeigte einen Mann, der ihr vage bekannt vorkam. Auf seinen<br />

Knien saß ein kleines blon<strong>des</strong> Mädchen mit einem fröhlichen<br />

Kleinkindergesicht, das ein kurzes, weißes Kleid trug. Ein kleines<br />

Mädchen mit einem sternförmigen Muttermal auf der Stirn und<br />

einem silbernen Medaillon um den Hals, das eine gütige Mutter<br />

Gottes und ein lächeln<strong>des</strong> Jesuskind zeigte.<br />

Weit weg war die Welt, das Fest, die Musik. Weit weg war auch<br />

Victors Stimme, die leise sagte: «Ein schönes Bild, nicht wahr? Es<br />

ist das letzte, das von ihnen existiert. Das ist mein Onkel Hector<br />

und seine jüngste Tochter, Agnes Degrelho.»<br />

***<br />

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