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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Nein, nicht ganz», sagte der Bursche lachend und wischte sich<br />

mitdem feuchten Ärmel über das ebenso feuchteGesicht.<br />

«Also Student», folgerte der Fuhrmann augenblicklich.<br />

«Ja. Richtig.» Der Junge nickte.<br />

«Theologie, was?», mutmaßte der Fuhrmann mit Blick auf das<br />

Medaillon, das um den Hals <strong>des</strong> Burschen hing und eine zierliche<br />

Mutter Gottes mit dem Jesuskind in den Armen zeigte.<br />

«Nein, wie kommst du denn darauf? – Ach so, das Medaillon!<br />

Oh, es ist ein Geschenk meiner Mutter. Und es beschützt mich vor<br />

allem Übel, weißt du. Und wie es mich beschützt!»<br />

«Scheinst sie ja zu vermissen, die Mutter», sagte der Fuhrmann<br />

mit einem spöttischen Grinsen.<br />

«Sie ist tot. Schon lange», sagte der Junge.<br />

«Oh. Tut mir leid. Ähm… also, was willst du studieren, w enn<br />

nicht Theologie? Rechte?»<br />

«Medizin», sagte der Bursche fröhlich.<br />

«Medizin! Herr Jesus!»<br />

«Hast du was dagegen?», fragte der Junge und lachte.<br />

«Dagegen, was! Stelle ich mir ekelhaft vor, die Leichenschnippelei<br />

und so. Graust dich das nicht?»<br />

«Nun, es ist ja für einen guten Zweck», meinte der Junge. «Wie<br />

soll man denn sonst lernen, wie der Körper <strong>des</strong> Menschen funktioniert<br />

und wie man Krankheiten heilen kann!»<br />

«Na. Ich hoffe du wirst ein ordentlicher Arzt, nicht einer von den<br />

Quacksalbern, wie sie überall herumspringen.»<br />

«Werd‘ mir Mühe geben», entgegnete der Bursche.<br />

«<strong>Die</strong> Universität wird dir gefallen», sagte der Fuhrmann. «Ist ‘ne<br />

halbe Stadt für sich, jenseits der Seine. Und alles voller junger Burschen<br />

wie du. <strong>Die</strong> meisten sind mehr mit ihrem Vergnügen als mit<br />

Studieren beschäftigt, das kann ich dir sagen! Na, warum nicht.<br />

Man ist ja nur einmaljung. – Hast du Verwandtschaft in Paris?»<br />

«Nein», sagte der Bursche. «Einen guten Freund habe ich, der<br />

dort Jurisprudenz studiert, so glaube ich wenigstens. Aber ich weiß<br />

nichtgenau, wo er wohnt. Na ja, ich werde ihn schon finden.»<br />

«Du bist aus dem Süden, hä?», fragte der Fuhrmann mit einem<br />

neuerlichen bewundernden Blick auf dassonnenverbrannteGesicht<br />

<strong>des</strong> Knaben. «Lyon?»<br />

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