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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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empfundenes Beileid»? Wie schlimm war der Anblick eines Toten,<br />

stimmte es, dass er einen in die tiefsten Träume verfolgt und ein<br />

Leben lang nicht mehr loslässt?<br />

Jetzt war er erstaunt, wie wenig er in der Tat empfand. Ein Toter,<br />

gut. Ein Baum, ein Pferd, ein Toter. Eine weitere sinnlich fassbare<br />

Tatsache, weiter nichts. Nichts Erschrecken<strong>des</strong> oder G ruseli ges,<br />

nichts, was einen zu Tränen rührte, kein Anblick, der einen grauste<br />

oder ekelte. Im Grunde sah er nicht anders aus als ein lebender<br />

Mensch auch, obwohl er eindeutig tot war. Fabiou hatte nie gewusst,<br />

woran man sah, dass einer nicht mehr lebte, dabei war es<br />

so einfach, nicht einen Moment konnte man auf die Idee verfallen,<br />

dass dieses wächserne, bleiche Gesicht einem Lebenden gehörte.<br />

Es war ein Mann, gekleidet in das schlichte, aber nicht billige<br />

Reisegewand eines Kaufmanns. Etwas an seiner Kleidung, seinen<br />

Stiefeln, dem Barett, das von seinem Kopf gerutscht war und spärliches<br />

graues Haar freigab, war fremdartig, nicht so, dass es sofort<br />

ins Auge fiel, dennoch, das war keiner aus der Gegend, und auch<br />

kein Franzose, ein ausländischer Kaufmann auf Geschäftsreise<br />

vielleicht.<br />

«Ist er vom Pferd gestürzt?», fragte hinter ihm eine ängstliche<br />

Stimme. Cristino. Er dachte an ihr Entsetzen an dem Morgen, als<br />

Bardous Vatergestorben war. Sie hatte den halben Taggeweint, um<br />

einen alten, vergreisten <strong>Die</strong>ner! Sie wäre wohl besser in der Kutsche<br />

geblieben. Das war wohl kein Anblick für ein zartes Geschöpf<br />

wie sie.<br />

«Sieht nicht so aus.» Der Baroun zeigte auf den Rock <strong>des</strong> Fremden.<br />

Über der Brust war er rot vor Blut. Frisches, klebriges Blut.<br />

«Heilige Maria Mutter Gottes steh uns bei!» <strong>Die</strong> Dame Castelblanc,<br />

die sich bekreuzigte, als stünde sie dem Leibhaftigen gegenüber.<br />

Inzwischen hatte sich nahezu die ganze Reisegesellschaft um<br />

den Fremden versammelt.<br />

«Räuber, das waren Räuber!», schrie die Barouno mit schriller<br />

Stimme. «Ich habe es diesem Protestanten ja gesagt – lässt man sie<br />

laufen, dann bringen sie gleich den nächsten um!»<br />

«Ist er… tot?», fragte Cristino zittrig.<br />

Der Buous war neben dem Fremden niedergekniet. «Er atmet<br />

nicht mehr», sagte er. «Ich denke, wir können nur noch für seine<br />

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