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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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ner waren mit dem Anzünden der Kerzen noch nicht sehr weit gekommen<br />

–, als ihr plötzlich ein schriller Laut aus einem dunklen<br />

Winkel entgegendrang, der min<strong>des</strong>tens so erschreckend war wie<br />

zuvor der Donner im Wald. «Christelle!»<br />

Cristino versuchte das Verhängnis abzuwenden, indem sie Victor<br />

in einen Seitengang drängte, doch bevor ihr Vorhaben glücken<br />

konnte, war es bereits zu spät: vollbusig und spitzenbewehrt kam<br />

Alessia über den Gang auf sie zugeschwebt. Bei ihr war der Wasserschaden<br />

bereits behoben, ihr Gesicht schillerte vor Puder und<br />

Rouge, und ihre schwarzen Löckchen umspielten aufr eizend ihren<br />

Ausschnitt. «Oh, Christelle, wie schön dich zu sehen!», säuselte sie.<br />

«Ich hatte mir ja bereits Sorgen gemacht, als du bei unserer Rückkehr<br />

nicht auffindbar warst. Wie siehst du auch aus! Herr Jesus, ich<br />

fürchte, selbst die begabteste Kammerfrau wird nicht in der Lage<br />

sein, dich heute noch in einen état propre zu bringen!»<br />

Cristino bereute es, dass sie nicht Catarino war, denn diese hätte<br />

sicher eine spitze Entgegnung bereit gehabt, während ihr nur wieder<br />

die Tränen in die Augen stiegen. Doch zum Glück rettete Victor<br />

die Situation. «Keine Angst, meine Damen, ich habe heute einige<br />

Edelfrauen in weitaus schlimmerem Zustand gesehen, und sie alle<br />

sind mittlerweile wieder vorzeigefähig.» Und damit dirigierte er<br />

Cristino weiter den Gang hinunter. Alessia tänzelte flötend und stichelnd<br />

neben ihnen her.<br />

Ein Geist huschte über den von Blitzen sporadisch erhellten<br />

Gang, ein Geist in einem wehenden weißen Kleid, die dunklen<br />

Haare wirr und strähnig herabhängend, die nackten Füße rutschend<br />

in samtenen Pantoffeln. An einem Fenster blieb er stehen,<br />

starrte hinaus in die Düsternis <strong>des</strong> Gewitters, die bleichen Züge<br />

umzuckt von Wetterleuchten, und lächelte dem Donner entgegen.<br />

Erstarrt waren die Mädchen stehen geblieben, erstarrt standen sie<br />

auch noch, als das Geisterwesen sich ihnen zuwandte und sie das<br />

verhärmte Gesicht der Barouno Degrelho erkannten. «Mutter»,<br />

sagte Victor vorsichtig, «Ihr wolltet Euch doch umziehen.»<br />

Ein Leuchten lag in den verschwollenen Augen. «Gott zürnt»,<br />

flüsterte sie, und wie zur Bestätigung ließ ein Donnerschlag die<br />

Wände erzittern. «Ich habe gesündigt, schrecklich gesündigt!» Sie<br />

schlug ihre Hände vors Gesicht.<br />

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