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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Warum hat es so viele Tote gegeben, 1545?», fragte Fabiou. «In<br />

Aisgab es doch keine Waldenser, oder?»<br />

«Na, aber die Seuchen und so.» Der Alte kratzte sich am Kopf.<br />

Catarino machte noch einen Schritt rückwärts. Flöhe hatte er offensichtlich<br />

auch zur Genüge. «Zuhauf sind die Leute dran gestorben.<br />

<strong>Die</strong> ham sie mitgebracht, die Flüchtlinge aus den Dörfern. Und<br />

am Anfang ham wir sie ja alle noch reingelassen in die Stadt. Also,<br />

die Katholischen zumin<strong>des</strong>t. Vor allem die Alten sind gestorben,<br />

und die <strong>Kinder</strong>. Waren viele <strong>Kinder</strong> unter den Flüchtlingen, wo<br />

die Elterngetötet worden sind. Da hinten, da haben wir eine große<br />

Grube gebuddelt und sie alle reingeworfen.» Er wies auf das äußerste<br />

Ende <strong>des</strong> Friedhofs. Cristino bekreuzigte sich entsetzt.<br />

«Aber ich sag’s Euch – Perverse gibt’s!» Der Alte schüttelte fassungslos<br />

den Kopf. «Da gab’s doch echt welche, die haben die Toten<br />

wieder ausgebuddelt. Mein Kumpel, Jaume, der meint, die hätten<br />

sie für, naja, komische Sachen verwendet, aber ich glaubja eigentlich<br />

eher, die Juden waren’s. <strong>Die</strong> brauchen Christenfleisch für ihren<br />

Hexensabbat. Hab’s einmal mit eigenen Augen gesehen, zwei<br />

Männer waren’s, und haben Leichen aus dem Grab geholt, <strong>Kinder</strong>leichen<br />

auch noch, und sind weg damit. Ganz bestimmt waren das<br />

die Juden!»<br />

Cristino sah aus, als ob sie jeden Moment in Ohnmacht fallen<br />

würde. «Verschwinde, Alter, du erschreckst ja meine Schwester!»,<br />

schimpfte Catarino, die auch etwas grün im Gesicht war.<br />

«Na, ich sag’s ja bloß», murmelte der Alte und schlurfte weiter.<br />

«So ein Verrückter!», schimpfte Catarino. «Juden, die die Leichen<br />

von Christenkindern aus dem Grab holen! Igitt!» Dann hielt<br />

sie inne. «Da», flüsterte sie.<br />

Eine Nonne im schwarzen Habit bewegte sich durch die Reihen<br />

der Gräber. Dorthin, wo die Familie Auban ihre letzte Ruhestätte<br />

hatte.<br />

«Tante Beatrix», murmelte Fabiou. Catarino rannte bereits.<br />

<strong>Die</strong> Nonne war gerade vor den Gräbern niedergekniet, als Catarino<br />

über den Kiesweg gefegt kam. «Tante Beatrix!», schrie sie,<br />

nicht gerade in friedhöflicher Andacht, was ihr die strafenden Blicke<br />

einiger alten Weiber eintrug. Beatrix hob den Kopf. «Catari-<br />

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